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Im Labyrinth der Abwehr

Im Labyrinth der Abwehr

Titel: Im Labyrinth der Abwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wadim Koshewnikow
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hatte Canaris auch vorgeschlagen; unter dem Decknamen „Vally" in einem der Vororte Warschaus einen besonderen Spionagestab zu gründen und ihm ein Netz von Diversions- und Spionageschulen anzugliedern. Er hatte den Lageplan dieser Einrichtungen mit der genauen Bezeichnung aller ihrer Teile, den vorläufigen Kriegsstärkenachweis und die Listen des leitenden Ausbildungspersonals bereits auf den riesigen Tisch des Führers gelegt.
    Endlich hörte Hitler mit seiner hochtrabenden Rede auf und befaßte sich mit den vor ihm liegenden Materialien. Nachdem er einige richtige und nützliche Bemerkungen gemacht hatte, die von seiner Sachkenntnis zeugten, setzte er seine Unterschrift unter den Plan. Zufrieden lächelnd schaute er Canaris an.
    Admiral Canaris holte erleichtert Luft. Um die offensichtlich gute Stimmung des Führers zu nutzen, meldete er ihm, daß in einem Experimentierlager Häftlinge vier Agenten erwürgt hatten. Ein gewisser Unteroffizier der Abwehr habe Landsdorf gemeldet, daß diese Agenten als Diversanten besonders wertvoll gewesen seien und er sie in die Schule habe aufnehmen wollen, doch die Lagerverwaltung habe es für besser gehalten, sie den Häftlingen auszuliefern, anstatt sie der Abwehr vorzuschlagen. Und der Führer gab wohlwollend seine Einwilligung, die Leitung des Lagers zur Verantwortung zu ziehen, ebenso die Gestapo, damit in Zukunft niemand mehr der Abwehr Hindernisse in den Weg lege.
31
    Die Warschauer Spionageschule wurde, so wie einige ihrer Filialen, im Oktober 1941 gegründet. Die Schule war einundzwanzig Kilometer östlich von Warschau in der Nähe der Bahnstation Milosno in dem Flecken Sulytowek in der Padarewskistraße gelegen.
    Landsdorf hatte sich in einem der Zimmer des Stabes „Vally" mit einem für diesen kasernenartigen Gutshof größtmöglichen Komfort eingerichtet. Fußboden und Diwan bedeckten flaumige Teppiche, hinter den Glastüren der Bücherschränke sah man Einbände in Goldschnitt, in der Ecke standen zwei Stehlampen.
    Während Weiß Meldung machte, schaute er mit freundlichem Blick in das hagere Gesicht Landsdorfs, doch er sah weder die dünnen, zusammengepreßten Lippen, weder die schmale Nase noch die eingefallenen, nach dem Rasieren geröteten Wangen: Er beobachtete, wie sich der Ausdruck der vorstehenden, greisenhaft blassen Augen veränderte.
    Scheinbar gelangweilt hörte Landsdorf Weiß zu; seine Bemerkungen ließen Ironie durchklingen: Der Gefreite zeige zuviel naive Begeisterung über die Tätigkeit Hauptmann Dietrichs. Jedoch unterbrach er Weiß nicht einmal, als dieser, um Landsdorfs Reaktion zu erproben, Dietrich folgende Äußerung zuschrieb.
    Er sagte, daß Hauptmann Dietrich eine tiefgründige Beobachtungsgabe bewiesen habe und völlig im Recht sei, wenn er meine, daß die russischen Kriegsgefangenen, wenn sie mit Leichtigkeit einwilligten, Verräter zu werden, mit der gleichen Leichtigkeit auch Deutschland verraten könnten. Ihre Feigheit und niedrige Gesinnung seien keine sehr zuverlässigen Bürgen, es würden sich aus ihnen kaum Agenten machen lassen, die bereit zu allem seien.
    „Was schlägst du dagegen vor?" unterbrach ihn Landsdorf.
    „Ich? Nichts. Ich sage nur, was ich zufällig gehört habe."
    Während er das sagte, überlegte Johann fieberhaft, wie er Landsdorf einreden könne, daß außer den von der Gestapo empfohlenen Leuten sich die Abwehr selbst die geeignetsten Kader für die Spionageschulen aussuchen müßte. Unter dieser Bedingung würde es Johann leichter haben, diejenigen Leute für die Schule auszusuchen, die er brauchte.
    Vorsichtig den Boden sondierend, sagte er ein wenig unbeholfen:
    „Hauptmann Dietrich hat die Ansicht geäußert, daß einige Häftlinge, die eine Vergeltung von seiten der übrigen Häftlinge fürchteten, nur aus Selbsterhaltung Kontakt mit uns meiden. Das sei nichts anderes als eine besondere Form der Verstellung, dazu gehöre Überlegung, Ausdauer, Widerstandskraft — genau die Eigenschaften, die man von einem Agenten verlange."
    Landsdorf hob lebhaft den Kopf, schaute Weiß unverwandt an und murmelte zwischen den Zähnen hervor:
    „Das ist vielleicht sogar ein Einfall. Jedenfalls keine Schablone ..." Doch im selben Augenblick schloß er, da er nicht zeigen wollte, daß ihn dieser Gedanke interessierte, müde die farblosen Augenlider und klagte: „Dieses unbeständige Wetter — bald friert es, bald taut es. In meinem Alter wird man empfindlich gegenüber jeder Veränderung." Dann zog er fröstelnd die

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