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Im Labyrinth der Abwehr

Im Labyrinth der Abwehr

Titel: Im Labyrinth der Abwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wadim Koshewnikow
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es aber solche Einheiten zu Anfang des Krieges noch nicht. Auf die Frage nach dem Beruf hatte er „Schuhmacher" geschrieben.
    Weiß schlug vor:
    „Wir haben eine Werkstatt, ich stelle dich ein."
    Bastschuh zuckte zusammen. Beleidigt sagte er: „Ich habe mich nicht als Schuhmacher anwerben lassen, sondern meine Unterschrift als Spion gegeben. Was soll diese Degradierung?"
    Sein Lebenslauf war in fehlerlosem Russisch geschrieben, obwohl er behauptete, nur eine dreiklassige Grundschule beendet zu haben. Weiß machte von allem Notiz, doch hielt er es nicht für zweckmäßig, seine Aufmerksamkeit auf einen einzelnen zu konzentrieren.
    Beim Verhör, beim Ausfüllen der Fragebogen und Abfassen der Lebensläufe verhielten sich die Gefangenen unterschiedlich. Die einen waren bemüht, soviel wie möglich über sich mitzuteilen, die anderen dagegen beschränkten sich auf kurze Beantwortungen der obligatorischen Fragen und weigerten sich hartnäckig, beleidigende Äußerungen über die Sowjetunion abzugeben.
    Einer von diesen, ein kahlköpfiger, älterer Berufsoffizier, erklärte Weiß, warum er diesen Weg beschritten habe.
    Ja, er sei Berufsoffizier, doch aus seinen Papieren gehe hervor, wieviel Jahre er auf ein und derselben Dienststelle sitze, ohne eine Beförderung oder persönliche Auszeichnung erhalten zu haben. Er sei der Ansicht gewesen, daß der Krieg ihm Aussicht auf Beförderung bieten würde und habe unbesonnen gehandelt: Er habe der ihm anvertrauten Einheit befohlen, die Verteidigungsstellung zu verlassen und im ungeeigneten Augenblick zum Sturmangriff überzugehen. Alle, bis auf einen, seien im feindlichen Feuer gefallen; er sei am Leben geblieben und hätte gewußt, daß ihn das Kriegsgericht erwarte. Er habe es vorgezogen, sich zu ergeben.
    Der Entschluß all dieser Leute, den Weg des Verrats an ihrem Vaterland zu gehen, trennte sie von diesem Vaterland, und sie selbst hatten, indem sie diesen Entschluß mit ihrer Unterschrift bestätigten, gleichsam ihr eigenes unumstößliches Todesurteil unterzeichnet.
33
    Das Erscheinen des Neulings Johann Weiß rief unter den alten Berufsspionen Unbehagen und skeptisches Mißtrauen hervor, ein Mißtrauen, das nicht sosehr durch politischen Argwohn als vielmehr durch Fragen moralischer Art hervorgerufen wurde. Außer dem Kodex der Offiziershöflichkeit herrschte unter ihnen der Kodex der Berufsmoral. Und dieser bestand darin, die Dinge nicht beim Namen zu nennen.
    Die schurkischsten Mittel, die mörderischsten Methoden wurden mit eleganten Termini übertüncht und mit akademischer Kaltblütigkeit erwogen. Selbst diejenigen, die ihre Praxis bei der Kriminalpolizei durchgemacht hatten und den Jargon der Berufsverbrecher und Prostituierten beherrschten, scheuten sich, diesen reichen Schatz an volkstümlicher Ausdrucksweise zu benutzen, und waren bemüht, sich gewählt auszudrücken.
    Von seiner ersten Begegnung an ließ Weiß seine neuen Kollegen wissen, daß sein „deutscher Konservatismus" nur die Folge seines Lebens außerhalb des Reiches, im Baltikum, war, wo die Verbundenheit zum Vaterland sich nur in einer Verbundenheit zu all dem ausdrücken konnte, was das deutsche Volk im Laufe der Geschichte geschaffen hatte. Er, Johann, fühlte sich vor dem Reich verpflichtet und würde deshalb jede Aufgabe, die man ihm hier geben würde, mit der größten Hingabe erfüllen, in der Hoffnung, daß die erfahreneren und verdienteren Kollegen ihm Ratschläge und Hilfe nicht versagen würden, er seinerseits sei bereit, ihnen dafür jeden Dienst zu erweisen.
    Diese Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit trugen nicht wenig dazu bei, daß die Voreingenommenheit im Umgang mit Johann schwand, und seine freundliche Bereitwilligkeit, die Pflichten anderer zu übernehmen, wurde wohlwollend aufgenommen.
    Die Gewandtheit, Aufgewecktheit und Arbeitswilligkeit des neuen Mitarbeiters Weiß wurden bereits in den ersten Tagen der Schulgründung bemerkt und vermerkt. Mit besonderem Eifer hatte sich Johann den Personalakten gewidmet. Nachdem er sie studiert hatte, stellte er aus eigener Initiative eine kurze Kartei zusammen, in der der Grad der politischen Zuverlässigkeit jedes Angeworbenen durch bestimmte Farben gekennzeichnet war. Das war für das Leitungspersonal sehr bequem, da es die sofortige Orientierung innerhalb der Neuankömmlinge erlaubte.
    Die von Weiß geschaffene Kartei hatte keinen offiziellen Charakter und war nur für den innerdienstlichen Gebrauch bestimmt. Die offizielle Kartei, die

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