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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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Auftraggeber auch zur obersten Schicht der Augsburger Familien. Doch wie sollte er ihn ausfindig machen?
    Mit jeder vollen Stunde, wenn die Kinder mit dem Turamichele brüllten, wurde sein Herz schwerer. Den ganzen Michaelitag irrte er umher, hoffte immer, Bianka unter den vielen Kleinen zu entdecken. Nach der sechsten Stunde schlossen die Fensterläden ein letztes Mal und sperrten den Erzengel Michael wieder für ein Jahr in den Perlachturm.
    Der Schreiber packte in der Abenddämmerung zusammen. Kellenbenz hockte sich noch mal auf die Stufen der Peterskirche, sah den fröhlichen, ausgelassenen Menschen zu, bis ihn der Marktbüttel des Platzes verwies. Den Geistlichen mit den vielen Ringen musste er wenigstens aufspüren. Mit letzter Kraft schleppte er sich in der einbrechenden Dunkelheit zum Dom. Schattengestalten huschten umher, und zwei Kuttenbrüder standen rechts und links des Südportals, denen würde er das Bildnis zeigen. Als er näher kam, waren es nur Apostelfiguren aus Stein. Er umklammerte den Affenanhänger. Bestimmt wartete Bianka zu Hause, dachte er noch, bevor ihn ein Schlag traf und er an den Domwänden hinabglitt.

8. Der Spiegel
    Philipp erblickte Oheim Christoph auf dem Fronhof und rannte zu ihm. Bei der Anprobe fürs Turnier hatte er den Schneider belauscht, der einen Gesellen schalt, beim Nähen des Wamses für Christoph Fugger nur ja genau zu sein. Philipp bat seine Mutter um Erlaubnis, seine Kleidung aus demselben grünen, besticktem Atlas anfertigen zu lassen. Ursula freute sich, dass ihr Sohn während des Schweizer Studiums Geschmack entwickelt hatte und sich plötzlich für mehr als die Jagd und den Garten begeisterte. Sogar einen hohen Hut aus demselben Stoff und passende Handschuhe bewilligte sie. Auf den ausgelegten Brettern tänzelte Philipp über den Schlamm und bestieg die Tribüne. Bevor er ins Blickfeld des Oheims trat, überprüfte er, ob seine weißen Strümpfe keine Lehmspritzer abbekommen hatten. Mist, seine Hände hätte er noch mal schrubben sollen, aber sauberer wurden sie einfach nicht. Er ging auf Christoph zu und lupfte den Hut.
    »Mir scheint, ich sollte den Schneider wechseln«, sagte der Oheim zur Begrüßung. »Sonst trägt noch ganz Augsburg dasselbe.« Er winkte nach Naschwerk, ließ einige Trauben in seinem Mund zerplatzen. Philipp stand da wie ein Kleinkind und wusste nicht wohin mit den Händen.
    Oheim Ulrich beugte sich vor. »Hoppla, da ist ja Klein-Christoph, sei gegrüßt, lieber Neffe.« Er gluckste.
    Philipp wäre am liebsten unsichtbar geworden und hätte nur den grün-glänzenden Stoffhaufen zurückgelassen. Aber Ulrich hörte nicht auf zu spotten. »Da zahlen wir ein kleines Vermögen für die kostbaren Stoffe aus Übersee und dann fertigt der Schneider einfach dasselbe noch mal an. Man sollte die restlichen Stoffballen verbrennen lassen, was, Bruder? Nur so wärest du gewiss, keinen Doppelgänger zu haben.«
    Christoph schwieg, puhlte sich Weintraubenkerne aus den Zähnen und musterte Philipp durchdringend.
    »Nun erlöse unseren Neffen endlich.« Mit einem Klatschen unterbrach Ulrich die quälende Stille. »Er verwandelt sich sonst noch in einen Käfer.« Ulrich lachte wie nur die drei Fuggerbrüder es konnten, tief und hohl aus dem Bauch heraus. Ein Diener trug einen Sessel herbei und Philipp sank hinein. Erst dann spürte er sich wieder atmen. Octavian trampelte hinter ihm auf die Tribüne. »Such dir woanders einen Platz«, zischte Philipp ihn an und zupfte sich rasch Trauben vom Tablett. Octavian zögerte, aber als Philipp ihn nicht weiter beachtete, trottete er zurück zu den Geschwistern. Schnell schob Philipp den lächerlichen Hut unter den Sessel, lehnte sich zurück und schlug die Beine genau wie der Oheim neben ihm übereinander, nur dass Christoph hohe Schaftstiefel trug.
    Während sein Vater samt Rüstung aufs Pferd gehievt wurde, unterhielt ein Narr die Zuschauer.
    »Was ist dieser Ortenburg für einer, Oheim Christoph, kennt Ihr ihn?« Philipp verkrampfte seine weißbestrumpften Waden unter dem Sessel.
    »Nun, Graf Ortenburg ist Lutheraner, zudem noch einige Jahre jünger als dein Vater.« Christoph schmatzte. »Es wird nicht einfach sein, ihn zu besiegen.«
    »Vater schafft das«, plapperte Philipp vor Erleichterung, dass der Oheim mit ihm sprach, drauflos. »Seht allein den schmalen Brustkorb dieses Grafen Ortenburg. Er sieht irgendwie kränklich aus, findet Ihr nicht?«
    Christoph rülpste. Ein fauliger Geruch wehte Philipp ins Gesicht.

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