Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
Annelie. »Ihr werdet heute Abend bei dem Fest doch nicht streiten, oder?« Kurz nach Jakobs Unfall war Christine Jule stets höflich begegnet. Doch mittlerweile lag dieser anderthalb Jahre zurück, und alte Feindseligkeit loderte nicht selten auf.
    »Wir werden uns nicht streiten, wir werden uns anschweigen«, erklärte Jule.
    »Aber bitte nicht mit solch finsterer Miene. Das Leben ist doch schön!«
    Mit verträumtem Lächeln blickte Annelie zuerst auf die saftigen Copihue-Früchte, dann auf ihren gerundeten Leib. Jule rümpfte die Nase, doch Barbara widersprach ihr nicht, sondern stimmte wie so oft eines ihrer Lieder an.

    Drei oder vier Mal hatte Poldi das Haus umrundet, doch es war ihm nicht gelungen, durch die Ritzen der Fensterläden zu spähen. Als er schon enttäuscht von dannen schleichen wollte, ohne den ersehnten Blick auf Barbara zu erhaschen, sah er den Wassertrog, der neben der Haustür stand. Eben noch gebückt, streckte er sich und schritt selbstbewusst darauf zu. Niemand konnte ihm schließlich verwehren, sich nach der Feldarbeit zu waschen. Allein von dem Gedanken, nun jeden Augenblick mit Barbara zusammentreffen zu können – vielleicht kam sie vor die Tür, wenn sie ihn hörte –, wurde ihm so heiß, dass er sich das Hemd förmlich vom Leibe riss. Rasch versenkte er den Kopf und die Schultern im kühlen Nass. Er rieb sich seine Haut, die von tiefen Narben und Kratzwunden übersät war, allesamt Andenken an schmerzhafte Begegnungen mit herunterfallenden Ästen und dornigem Gebüsch, und unter der er kräftige Muskeln fühlte. Wenn es etwas Gutes an der Schufterei gab, dann das: Niemand hielt ihn mehr für einen Knaben. Jeder konnte auf den ersten Blick erkennen, dass er inzwischen die Statur eines Mannes hatte. Er richtete sich wieder auf und schüttelte den Kopf wie ein nasser Hund. Wasser spritzte in alle Richtungen und sorgte für Gekreisch.
    Als er herumfuhr, sah er jedoch nicht, wie erhofft, Barbara, sondern seine Schwestern Lenerl und Christl. Sie rollten Fässer zum Haus der von Grabergs – wahrscheinlich für das heutige Fest.
    »Musst du mich nass machen?«, schrie Christl.
    »Nun hab dich nicht so!«, murmelte er mürrisch.
    Nicht minder sehnsüchtig wie er nun schon seit Stunden darauf wartete, zufällig mit Barbara zusammenzutreffen, blickte er auf die Fässer. Wahrscheinlich war Chica darin – jenes aus Mais gebraute Gesöff, das man mit viel gutem Willen für Bier halten konnte. Antiman hatte Annelie gezeigt, wie man es zubereitet, und erzählt, dass es schon seit Jahrhunderten von den Völkern der Anden getrunken wird. Als Poldi zum ersten Mal davon probieren durfte, hatte er sich tagelang mit Kopfschmerzen herumschlagen müssen. Doch als er jetzt auf die Fässer sah, dachte er weder daran noch an den bitteren Geschmack, sondern an das angenehme Gefühl, berauscht zu sein. Es war, als würde man nicht fest auf dem Boden gehen, sondern von allen Lasten befreit darüber schweben.
    »Die Fässer bleiben bis heute Abend geschlossen!«, erklärte Christl so streng und missmutig, als gelte es, ihn dafür zu strafen, weil sie diese Fässer schleppen musste.
    Poldi wurde wieder heiß bei dem Gedanken, dass er den ganzen Abend in Barbaras Gegenwart verbringen würde. Selten war die Gemeinschaft bislang nach Dämmerung zusammengekommen, sondern hatte sich meist schon aufgelöst, kaum dass Barbara nur ein Lied gesungen hatte. Doch heute würde es gewiss anders werden.
    »Also!«, bekräftigte Christl. »Finger weg vom Chica!«
    Wenn sie sich nicht immer nur so wichtig machen würde!, ging es Poldi durch den Kopf. Vor einem Jahr noch hatte es gereicht, Christl an den Zöpfen zu ziehen. Dann hatte sie zu plärren begonnen und er war sie meist los gewesen.
    »Komm mir mit dem elenden Gesöff nur nicht zu nahe!«, blaffte er.
    »Sag, wenn dich nicht der Durst hierhertreibt, was eigentlich dann?« Sie spielte kurz die Verwirrte, um im nächsten Moment ein wissendes Lächeln aufzusetzen. »Nun, ich kann mir schon vorstellen, was …«
    »Halt den Mund!«, unterbrach Poldi sie scharf und hob drohend die Hand. Er ließ sie allerdings sofort wieder sinken, denn hinter den Fensterläden nahm er eine Bewegung wahr. Ob Barbara aufgestanden war und nach draußen sah?
    Barbara, der er vor nicht langer Zeit beim Flachsanbau geholfen hatte, obwohl Fritz behauptet hatte, dass das Frauenarbeit sei … Barbara, mit der er stundenlang gesungen hatte – wie damals, als sie im Wald herumgeirrt

Weitere Kostenlose Bücher