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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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giftete Christl. »Genauso wie Resa einen Mann braucht? Du wärst doch der rechte Mann für sie, Poldi, nicht wahr? Aber nein, ich vergaß: Du hast ja nur Augen für ihre Mutter.«
    Mit einem Aufschrei stieß er gegen den Holzstoß. Weitere Scheite lösten sich und rollten ihm über die Füße. Diesmal war es Fritz, der ein empörtes »He!« rief, aber da war Poldi schon fortgestoben. Noch laufend hob er den Apfelweinkrug und setzte ihn an den Mund. Weißer Schaum spritzte ihm ins Gesicht. Er konnte nicht gleichzeitig rennen und trinken, also blieb er notgedrungen stehen, als er den Wein gierig schluckte.
    Deswegen hörte er auch die Stimme der Frau, die nach ihm zu seinen Geschwistern getreten war und nun fragte: »Wo ist Poldi? Ich habe ihn den ganzen Tag lang nicht gesehen.«
    Siedend heiß stieg es ihm ins Gesicht.
    Barbara.
    Es war Barbara, die nach ihm suchte.
    »Wahrscheinlich will er sich in einem der Sümpfe ertränken«, hörte er Christl spotten.
    Der Krug entglitt seiner Hand, als er loslief, immer schneller und immer weiter fort. Unerträglich war ihm die Vorstellung, ihr trunken unter die neuerdings so kalten Augen zu treten.
    Poldi lief so lange, bis ihm der Atem ausging und das Dickicht ihm den Weg versperrte. Er ließ sich gegen den Stamm eines der Baumriesen sinken, sog den würzigen Geruch der Rinde ein und schloss die Augen. Eine Weile schien es nur ihn zu geben, den Baum, die Tropfen, die auf sein Gesicht klatschten, die feuchte Erde, die Rinde, an der er sein Gesicht rieb, obwohl, nein, vielmehr weil es schmerzte. Es lenkte von seiner Scham ab, ließ ihn wieder nüchtern werden, die Dinge klar sehen – zumindest bis zu dem Moment, in dem eine Stimme hinter ihm erklang.
    »Poldi, was tust du denn?«
    Da schwankte der Boden wieder unter ihm, keinen vernünftigen Gedanken konnte er mehr fassen, und er schien aus nichts anderem zu bestehen als dieser Sehnsucht, diesem Brennen, dieser Qual.
    Barbara trat zu ihm und stützte sich auf den Baumstamm.
    »Nun sei kein Kindskopf, Poldi!«, erklärte sie schroff. »Was sitzt du hier draußen herum und schmollst wie schon die ganzen letzten Wochen? Komm hinein ins Haus, singe, musiziere! Du bist doch keiner, der eine Gelegenheit zum Feiern auslässt!«
    Warum war sie ihm nur nachgekommen? Warum ließ sie ihn nicht einfach allein?
    »Du sagst mir nicht, was ich zu tun habe«, gab er störrisch zurück.
    »Und warum nicht? Deine Mutter könnt ich sein!« Ihre Stimme klang streng, doch ihr Blick war nicht so kalt wie in der letzten Zeit.
    »Du bist aber nicht meine Mutter.« Er zögerte, setzte nach einer Pause schließlich entschlossen hinzu: »Du bist die schönste Frau, die ich kenne.«
    »Jetzt hör schon auf.« Sie trat ein paar Schritte von ihm fort – jedoch nicht in Richtung der Siedlung, sondern tiefer in den Wald hinein. Vielleicht war es Zufall und hatte nichts zu bedeuten, dennoch war ihm, als könne er es plötzlich auch an ihr wahrnehmen: jenes Zittern, das ihn selbst überlief, jenes Flattern im Magen, als hätte man seit Tagen nicht gegessen und dennoch keinen Hunger.
    Sie könnte doch einfach gehen, dachte er.
    Aber sie ging nicht.
    »Warum bist du mir nachgelaufen?«, fragte er heiser. »Hast du Angst, ich könnte mich im Wald verlaufen oder im See ertrinken? Ich bin kein Kind mehr, ich bin ein Mann.«
    Sie lachte auf, es klang kreischend. Wieder kam sie auf ihn zu, schien nach ihm packen zu wollen und umgriff doch nur den Baumstamm. Er sah, wie sich ihre Fingernägel in die Rinde gruben. »Ein Mann – du?«, höhnte sie. »Taddäus ist ein Mann. Er weiß, was er zu tun hat, er ist fleißig, er drückt sich nie vor Arbeit, er macht keine dummen Worte. Er … er …«, sie geriet ins Stottern, kaute auf den Lippen, schien plötzlich unendlich traurig. »Er lacht auch kaum, und er singt nicht. Nur aus Schuften besteht sein Leben. Grund und Boden machen ihn glücklich, und dass alle gesund sind und mit anpacken können … sonst nichts … sonst nichts …«
    »Wenn so ein Mann sein soll, dann will ich keiner sein«, knurrte Poldi. »Nicht für mich will ich so einer sein. Und schon gar nicht für dich.«
    »Wir müssen zurück.« Sie ließ den Baumstamm los, aber sie machte keine Anstalten, zurückzugehen. Poldi spürte ihren warmen Atem; er sah ihre Zähne hell aufblitzen, als sie abermals einen Laut ausstieß, von dem nicht sicher war, ob es ein Lachen oder Schluchzen war.
    »Wenn du mit den anderen hättest feiern wollen, wärst du

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