Im Land der Feuerblume: Roman
Einsicht und dem Kummer über so viel vergeudete Zeit. Erinnerungen stiegen hoch und verschwanden wieder im Dunkeln des Gedächtnisses, Erinnerungen an Greta, wie sie bleich und irgendwie triumphierend vor ihr gestanden war, wie sie trotzig verkündet hatte, dass Cornelius und sie heiraten würden.
Sie war vor Greta geflohen und hatte diese Worte einfach geglaubt, viel zu ausgelaugt nach Ricardos und Lukas’ Tod, viel zu belastet von der Schuld, weil sie ausgerechnet in Cornelius’ Armen Trost gesucht und gefunden hatte. Und als er später mit ihr reden, ihr die Wahrheit anvertrauen wollte, da hatte sie ihm erklärt, wie froh und erleichtert sie über seine und Gretas Hochzeit sei – nun, da sie doch Lukas’ Kind bekäme.
»Wenn ich nur geahnt hätte …«, stieß sie aus.
Er sagte nichts, öffnete nur wieder seine Arme, und sie sank hinein, um in all der Verwirrung, dem Entsetzen, dem Schmerz einen Moment der Stille zu finden, in der nichts zählte, außer, dass er da war und nichts zwischen ihnen stand.
Wieder wusste sie nicht, wie lange die Umarmung währte, ob für die Dauer eines Wimpernschlags oder gar eine Stunde. Dann plötzlich ertönte von draußen ein lautes Rufen.
»Kommt! Kommt schnell!«
Elisa blickte hoch. »Fritz!«, rief sie. »Das ist Fritz!«
Als sie nach draußen stürmten, lief Elisa förmlich in Fritz hinein. Eben noch hatte er aufgeregt gerufen – nun stand er seelenruhig da. Keinerlei Furcht spiegelte sich in seinem Gesicht; stattdessen umspielte ein breites Grinsen seinen Mund.
»Was … was …«, setzte Elisa an.
Schweigend deutete er hinter sich, und da erst erkannte Elisa die beiden Gestalten, die ihm gefolgt waren: Manuel, der Emilia stützte, sie ganz fest an sich presste und über ihr Gesicht streichelte. Und Emilia, die versuchte, sich von ihm loszumachen – umso energischer, als erste zaghafte Anläufe nicht fruchteten. »Lieber Himmel, ich kann allein gehen! Du musst mich nicht behandeln, als wäre ich schwer krank!«
Elisa und Cornelius stürzten auf die beiden zu. Endlich ließ Manuel Emilia los, und diese fiel in Cornelius’ Arme, während Elisa ihren Sohn an sich zog und ängstlich nach möglichen Verletzungen Ausschau hielt. Seine Haare waren verstrubbelt, seine Hosen ziemlich dreckig, aber ansonsten schien alles an ihm heil.
»Was, um Himmels willen, ist passiert?«, fragte Elisa.
Cornelius hatte Emilia wieder losgelassen und war zu Manuel getreten. »Du hast sie gerettet. Du hast sie wirklich gerettet, aber …«
»Von wegen!«, unterbrach Emilia ihn wütend.
Manuel grinste verlegen. »Genau genommen, hat sie sich selbst gerettet. Sie hat nämlich …«
Er kam nicht weiter, denn Elisa schrie entsetzt auf. Ihr Blick war auf Emilias Hände gefallen, und erst jetzt sah sie, dass sie voller Blut waren.
»Mein Gott!«
Doch Emilia machte nicht den Eindruck, als leide sie an Schmerzen, sondern prustete los. »Keine Angst! Das ist nicht mein Blut!«
Was dann folgte, war ein einziges Stimmengewirr. Manuel und Emilia begannen gleichzeitig zu erzählen, was geschehen war. Sie fielen sich gegenseitig ins Wort, brachten die Abfolge der Ereignisse völlig durcheinander. Dann ging auch noch Fritz dazwischen und rief sie zur Ordnung, und schließlich Cornelius, der immer wieder beteuerte, wie erleichtert er sei.
Nach einer Weile hatte Elisa immer noch nicht begriffen, was geschehen war, nur, dass die beiden wohlauf waren, dass sie bei ihnen waren – und das reichte vorerst.
Schließlich ging den beiden vom schnellen Sprechen die Puste aus, und Fritz erzählte die Geschichte noch einmal ausführlich und für alle verständlich.
Demnach war es Emilia gelungen, aus einem Bordell zu fliehen, wohin man sie verschleppt hatte, doch man hatte es bemerkt und sie wieder zurückholen wollen. Manuel war zwar, von ihren lauten Hilferufen angelockt, rechtzeitig hinzugekommen, aber er konnte nur einen der Männer bezwingen. Die anderen dagegen hatten Emilia immer enger eingekreist und sie letztlich zu packen bekommen.
»Ich habe ganz lang stillgehalten«, rief Emilia dazwischen, »und so getan, als würde ich mich fügen. Und dann … dann habe ich einem der Männer ganz plötzlich das Gesicht zerkratzt. Er hat mich schreiend losgelassen.«
»Und die anderen haben das geduldet?«, fragte Elisa erstaunt.
»Ich hatte den ersten mittlerweile niedergeschlagen und konnte mich ins Gefecht stürzen!«, prahlte Manuel.
»Und ich habe mich weiterhin ordentlich gewehrt.
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