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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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als die näselnde Stimme ihn traf.
    Er fuhr herum und sah einen Matrosen das Deck betrachten. Eben noch hatten sämtliche Mitglieder der Besatzung ihre Kräfte darauf verwendet, das Schiff heil durch den Sturm zu bringen, nun standen sie tatenlos herum, die einen erschöpft, die anderen erleichtert, wieder andere mit einem Ausdruck tiefster Verwirrung, als wäre das eben Durchstandene nur ein böser Traum gewesen. Immer mehr Passagiere strömten an Deck, um die Spuren der Zerstörung zu mustern und um frische Luft zu schöpfen.
    Der Drang war auch bei ihm übermächtig gewesen, nachdem er seinen Onkel zurück in die Kabine gebracht hatte. Pastor Zacharias hatte sich alle Mühe gegeben, Annelie von Graberg Trost zu spenden; als es nicht recht fruchtete, Annelies Blick vielmehr starr auf die Decke gerichtet blieb, hatte er schließlich die Passagiere dazu aufgefordert, ein Gebet zu sprechen, und es selbst mit ungewöhnlich fester Stimme begonnen. Danach freilich hatte ihn nichts mehr im Zwischendeck halten können.
    »In der Tat«, bekräftigte der Matrose neben Cornelius seine Worte. »Manch einen hat’s auf hoher See übler getroffen als uns.«
    »Noch übler?«, fragte er.
    Sein Blick ging über das Deck: Drei Masten gab es mit jeweils einer Rah. Der mittlere war gebrochen und die Rah in Fetzen zerrissen, die anderen beiden hatte der Sturm nicht gänzlich geknickt, aber sie wirkten schief. Die Vorstenge war zur Hälfte über Bord gefallen, und das Wasser stand knöcheltief.
    Der Matrose zuckte mit den Schultern: »Wir hätten auch sinken können – und zumindest das ist nicht geschehen.«
    Seine Lippen waren rissig, ein Auge war blau, als wäre er geschlagen worden – wahrscheinlich nicht von einer Faust, sondern von einem Holzbalken, der sich aus der Verankerung gelöst hatte.
    »Ja, wir hätten sinken können …«, murmelte Cornelius geistesabwesend.
    Die frische Luft belebte ihn; die Erinnerung an die letzten Stunden beschworen kurze, blitzartige Bilder herauf, die in keinem Zusammenhang zu stehen schienen, nur von Kälte, Nässe, Stolpern, Rutschen kündeten. Das Einzige, was ihm wirklich erschien, war die Umarmung mit Elisa. So verloren hatte sie gewirkt, so verzweifelt, verwirrt und traurig – und zugleich so lebendig.
    Er watete über das Deck; bis zu den Knien sog sich seine Hose mit Wasser voll, doch es störte ihn nicht. Sie hatten den Sturm überlebt – und kurz hatte er das Gefühl, damit alles Gefährliche, Tragische, Düstere seines Lebens abstreifen, durchatmen, den Blick nach vorne richten, weitermachen zu können.
    In der Nähe des gebrochenen Masts traf er mit Juliane Eiderstett zusammen. Sie blickte nachdenklich auf die zerstörte Rah und schien ihn gar nicht wahrzunehmen. Doch als er näher trat, fragte sie unvermittelt: »Was ist, willst auch du sämtliche Häme und Verachtung über mich ergießen?«
    Verwirrt blickte er sie an und hatte keine Ahnung, wovon sie redete. »Warum sollte ich?«
    »Du hast es doch gehört. Ich bin eine, die Mann und Kinder verlassen hat.«
    Er sprach, ehe er darüber nachdachte: »Und ich bin einer, der seine Mutter verflucht hat, weil sie ihn unehelich geboren hat, und der sich nicht rechtzeitig mit ihr aussöhnen konnte. Und obendrein bin ich einer, der zugesehen hat, wie sein bester Freund gestorben ist.«
    Dass er Elisa vorhin den letzten, schlimmen Streit mit Cornelia anvertraut hatte, schien irgendetwas verändert zu haben. Er wusste nicht recht, was, nur, dass auch alles andere, was ihn bekümmerte, ans Tageslicht drängte. Obwohl Jule nicht nachfragte, ja, nicht einmal sonderlich an ihm interessiert zu sein schien, konnte er nicht mehr aufhören, weiterzureden. Die Worte sprudelten förmlich aus ihm hervor.
    »Matthias … mein Freund hieß Matthias. Seine Hoffnung auf eine neue Welt war so groß, eine ganz andere Welt, eine freie Welt, in der niemand geduckt gehen muss, sondern jeder mit aufrechter Haltung, in der nicht zählt, als wessen Kind man geboren ist, sondern, was man kann und was man aus seinem Leben macht. ›Das ist unser Jahr‹, sagte er. ›Das ist das Jahr der Freiheit.‹ 1848 war das. Er war so euphorisch, so aufgeregt, so lebendig, er hat mich damit angesteckt. ›Was kümmert es dich, dass du nicht Pastor werden darfst, weil du ein Bastard bist?‹, hat er mir lachend entgegengerufen. ›Es wird doch jetzt alles anders.‹ Doch das Einzige, was anders geworden ist …«, er brach ab, schüttelte den Kopf; die Worte, eben noch

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