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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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nicht von unten. Das Schiff leckt nicht.«
    »Lieber Himmel!«, Pastor Zacharias schüttelte den Kopf. »Ich dachte, das Jüngste Gericht wäre über uns hereingebrochen. So wird es schließlich in der Offenbarung des Johannes geschildert: ›Und der Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet, und die Lade seines Bundes wurde in seinem Tempel gesehen; und es geschahen Blitze und Stimmen und Donner und ein Erdbeben und ein großer Hagel.‹« Er schlug mit lautem Klatschen die Hände über dem Kopf zusammen.
    »Es hat aber nicht gehagelt«, warf Cornelius ein.
    Pastor Zacharias ging nicht darauf ein. »Und du warst nicht hier«, wandte er sich vorwurfsvoll an seinen Neffen. »Du bist einfach verschwunden und hast mich allein gelassen. Ich dachte schon, der Sturm hätte dich über Bord gefegt.«
    »Es geht mir gut, Onkel, wirklich, das Schlimmste ist ausgestanden. Aber wir brauchen dich, Onkel.«
    In knappen Worten erzählte er, was geschehen war, und obwohl der Pastor nicht den Eindruck machte, er täte es gerne, folgte er ihnen schließlich ins Zwischendeck.
    Dort roch es säuerlich. Wieder hörte Elisa Pastor Zacharias schnaufen, diesmal nicht aus Furcht vor dem Ertrinken, sondern weil er Annelie erblickte, mit leichenblassem, eingefallenem Gesicht, als wäre sie geschrumpft und die Haut eine viel zu große Hülle für den schmächtigen Körper. Am Fußende der Koje lag ein blutiges Bündel. Elisa versuchte, darüber hinwegzublicken, und auch Annelie sah es nicht an. Sie hatte die Augen geschlossen und murmelte etwas – vielleicht ein Gebet. Pastor Zacharias schlug hastig ein Kreuzzeichen. Elisa war sich nicht sicher, ob es Annelies Seelenheil galt oder vielmehr ein Stoßgebet in eigener Sache einleitete.
    Jule verdrehte die Augen. »Es scheint, dass der Sturm vorbei ist, na Gott sei’s gedankt!«, rief sie ungeduldig. »Also können wir jetzt wieder an Deck gehen, ja? Für mich gibt’s hier nichts mehr zu tun, und ich brauche dringend frische Luft.«
    Sie wartete keine Antwort ab, sondern stapfte Richtung Aufstieg, doch da stellte Christine Steiner sich ihr entgegen. Bislang war ihr Blick immer verächtlich und misstrauisch gewesen, wenn er Juliane Eiderstett getroffen hatte, nun allerdings nickte sie anerkennend.
    »Das muss man dir lassen«, erklärte sie und blieb unwillkürlich beim vertraulichen Du, »du hast wirklich kundige Hände. Wie du Frau von Graberg geholfen hast …«
    Jule schaute auf besagte Hände. »Die sind nicht kundig, sondern vor allem blutig«, stellte sie schroff fest.
    Christines Blick wurde wieder ein bisschen verächtlich. »Es wäre viel leichter, mit dir auszukommen, wenn wir mehr von dir wüssten.«
    »Ich dachte, ihr seid euch sicher, dass ich eine entlaufene Mörderin bin?«, rief Jule laut und drehte sich einmal im Kreis herum. Alle glotzten sie nun an, selbst Pastor Zacharias, der zögernd zu Annelie getreten war, wandte sich um.
    »Nun, ich muss euch enttäuschen – eine Mörderin bin ich nicht. Aber wenn ihr schlecht von mir denken wollt, das könnt ihr gerne haben.« Ihre Stimme wurde laut und schrill, auf dass auch wirklich jeder sie vernehmen konnte. »Ich reise allein, weil ich meinem Mann davongelaufen bin. Ich hatte keine Lust mehr, mit dem werten Herrn Fabrikbesitzer, den nur das Geld interessiert, zu leben. Und ich hatte auch keine Lust, die beiden Rangen aufzuziehen, die ich ihm geboren habe. Zwei Mädchen waren’s. Hübsch anzuschauen beide. Aber vom Schauen allein wird man weder klug noch glücklich, noch frei. Das alles aber will ich sein. Darum habe ich mein Bündel gepackt, bin nach Hamburg gefahren und heimlich aufs Schiff gegangen. Muss meine Familie eben ohne mich zurechtkommen.«
    Der letzte Ton, der aus ihrem Mund trat, klang wie ein Lachen. Dann trat sie an Christine vorbei und ging endgültig an Deck.
    Kaum waren ihre Schritte verklungen, setzte Getuschel ein. Die einen kicherten nervös, die anderen spotteten, wieder andere schimpften empört – so auch Christine Steiner.
    »Was für ein unmögliches Weibsbild!«, stieß sie aus. Poldi grinste, Fritz prüfte, ob die Kisten alle noch ganz waren, und die Mädchen kamen aus dem Bett geklettert.
    Auch Lambert Mielhahn erhob sich aus der Koje, wie Elisa nun sah.
    »Was für ein unmögliches Weibsbild!«, echote er – wie immer mit Christine Steiner einig, wenn es um Juliane Eiderstett ging.

    »Kein schöner Anblick, was? Hätte allerdings noch viel schlimmer kommen können.«
    Cornelius zuckte zusammen,

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