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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Körper wieder an Kraft gewann. Vielleicht rührte dies von einer Seuche, wie es sie nur in diesen Breitengraden gab, von Heimweh nach Deutschland oder – wie Jule einmal spöttisch gemeint hatte – von der Unfähigkeit, sich in diesem fremden Land zu verwurzeln.
    Seitdem ging Elisa für ihn in den Wald, schlang sich das Haar zu einem festen Knoten und packte mit an, als hätte sie nie etwas anderes getan. Sie gewöhnte sich an die Rückenschmerzen, an die rissigen Hände, an die Muskeln eines Mannes, die sie an den Schultern zulegte, und klagte nie. Nur manchmal, da ging es ihr so wie Fritz, und sie wünschte sich insgeheim, jemand würde sehen, wie sie sämtliche Kräfte einsetzte und noch mehr, würde ihr dafür Zuspruch erteilen und sie sogar loben.
    Was soll’s, dachte sie und wollte wieder an die Arbeit gehen. Doch ehe sie die Gruppe der Männer erreichte, die sie bei der Verfolgung des Kolibris zurückgelassen hatte, dröhnte eine zeternde Stimme durchs Unterholz.
    »Ist heute etwa Müßiggang angesagt?«
    Die Worte kamen so unvermittelt, dass Elisa erschrocken zusammenzuckte. Rasch griff sie nach einer der Hacken, um zu verbergen, dass sie eine kurze Pause eingelegt hatte. Erst als sie sie fest umklammert hielt, beklagte sie innerlich, welch erbärmlicher Feigling aus ihr geworden war: Wie konnte es geschehen, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, nur, weil sie für ein paar Minuten den schmerzenden Rücken durchgestreckt hatte? Woher nahm Konrad Weber die Macht, sie so zu verschrecken?
    Trotzig blickte sie wieder hoch, doch nicht sie war es, die seinen Blick auf sich gezogen hatte, sondern wie so oft die Steiner-Söhne.
    Sie erkannte, dass Konrad sein Gewehr mit sich trug, nachlässig geschultert, aber bereit, jederzeit damit zu zielen. Einmal hatte er es auf Poldi gerichtet – vor einem knappen halben Jahr, als der Junge die Beherrschung verloren und den Hungerlohn beklagt hatte, für den sie arbeiteten. Nicht zum ersten Mal hatte Konrad damals sein wahres Gesicht gezeigt, doch noch nie hatte sich Elisa derart dafür verflucht, weil sie in Corral so dumm gewesen war, ihm zu vertrauen und für einen Helfer in der Not zu halten.
    Eben deutete Fritz mit dem Kinn kaum merklich auf das Gewehr. »Denken Sie, Sie müssten uns damit zu Fleiß antreiben?«
    Seltsame Laute kamen aus Konrads Mund, vielleicht ein Kichern, vielleicht ein Knurren.
    »Auf die Jagd geht’s!«, verkündete er dann stolz. »Dieser verfluchte Puma hat schon wieder drei Lämmer gerissen.«
    Elisa sah, wie Fritz den Kopf schüttelte. Konrad Weber hatte schon vor Wochen verkündet, er würde gerne einmal einen Puma schießen. Von all den Tieren, die hier lebten, hatte er einen solchen noch nie erlegt: Manchmal kam er mit Hasen, Wildkatzen und Füchsen von der Jagd zurück, einmal mit einem dieser winzig kleinen Hirsche, die Fritz als Pudus bezeichnete, und einmal mit einem größeren, die – auch das wusste sie von Fritz – eigentlich in den Anden lebten. Eine Weile hatte er zudem Lust daran gefunden, Kondore zu jagen, mit der Behauptung, sie würden seine Schafe anfallen. Dass Kondore keine Raubvögel, sondern Aasfresser waren, wie Fritz ihm damals entgegenhielt, wollte er nicht glauben.
    Auch jetzt klang er ungehalten, denn Fritz’ Kopfschütteln war ihm nicht entgangen: »Willst du etwas dazu sagen?«
    Fritz zögerte kurz. »Pumas sind scheue Tiere«, presste er schließlich über die Lippen. »Kaum einer von uns hat je einen gesehen. Sie wagen sich nicht in die Nähe von Menschen, und deswegen würden sie auch keine Schafe reißen. Und nur die wenigsten leben im Urwald, sie ziehen die Graslandschaften vor.«
    »Ach«, begann Konrad gedehnt. »Herr Neunmalklug prophezeit mir also, dass ich danebenschieße?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Nur, dass Sie vielleicht auf nichts stoßen werden, auf das man schießen kann.«
    »Ach was!« Nun waren die Laute aus seinem Mund eindeutig als Kichern zu erkennen. »Hier kreucht und fleucht so viel Getier durchs Gebüsch. Ich finde immer was zum Totschießen!«
    Er wandte sich zu seinem Begleiter um. »Nicht wahr?«
    Lambert Mielhahn nickte dienstbeflissen.
    Jenes rötliche Geschwür auf seiner Stirn, das er sich während der langen Schiffsreise zugezogen hatte, hatte sich in dem feuchten Klima verschlimmert. Ansonsten hatte er es von ihnen allen am besten getroffen. Konrad hatte ihm das größte Haus zugeteilt, desgleichen die größten Rationen an Brot, Kartoffeln, Mais und manchmal sogar

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