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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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schlugen – künftiges Brennholz oder Material für Dachschindeln.
    Schweigen senkte sich über sie, nachdem die älteren beiden Steiner-Söhne gegangen waren. Manchmal summte Poldi ein Lied beim Arbeiten, doch heute kniff er seine Lippen zusammen, und jedes Mal, wenn er mit der Hacke ausholte, machte er ein Gesicht, als würde er in Wahrheit auf Konrad oder Lambert oder alle beide einschlagen.
    Wahrscheinlich macht ihm das die Arbeit leichter, dachte Elisa, denn Wut verleiht mehr Kräfte als Verbitterung.
    Sie selbst versuchte, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, wurde taub für die Geräusche um sich, nahm nur mehr den eigenen Herzschlag und den Atem wahr.
    Umso erschrockener war sie, als plötzlich wie aus dem Nichts ein Schuss erklang. Sie sprang zurück, ließ die Hacke fallen; Vögel flatterten auf.
    Poldi war es nicht anders ergangen. Unter der Schweißschicht war er blass geworden.
    »Konrad!«, zischte er.
    Auch früher hatten sie ihn schon schießen gehört – doch nie so nahe an ihrer Arbeitsstätte.
    »Verflucht!«, rief plötzlich auch Jakob Steiner. »Ist er denn wahnsinnig geworden?«
    Elisa fuhr erstaunt herum, als aus Jakobs Mund diese ärgerlichen Worte krochen. Zu ungewöhnlich war, dass er sprach, und noch mehr, dass er gegen Konrad grollte. Seine Söhne wetterten häufig gegen diesen, ob laut oder im Geheimen, doch bei den seltenen Anlässen, da er den Mund auftat, hielt sich Jakob Steiner mit seiner Meinung meist zurück, erklärte bestenfalls, dass harte Arbeit noch niemandem geschadet habe.
    Dass bei dieser Arbeit herumfliegende Kugeln zu dulden waren, gehörte nicht zu seiner Rechnung.
    »Verflucht!«, wiederholte er und stampfte mit dem Fuß auf, als ein zweiter Schuss ertönte. Wieder zuckte Elisa zusammen, obwohl sie sich diesmal besser dagegen gewappnet hatte. »Er knallt uns noch ab, so leichtsinnig wie er ist!«
    Mit einem empörten Aufschrei spaltete Jakob mit der Axt den Stamm, ließ sie dort stecken und machte Anstalten, tiefer in den Wald zu gehen.
    »Nicht«, schrie Poldi erschrocken. »Er könnte doch versehentlich auf dich zielen! Und Lukas und Fritz hauen gerade den Baum um!«
    Jakob zögerte nur kurz. »Fritz! Lukas!«, schrie er in die Richtung, in die sie gegangen waren. »Ihr rührt mir keinen Finger mehr! Nicht, ehe das geklärt ist!« Und an Poldi gerichtet fügte er hinzu: »So dumm wird er nicht sein, dass er mich mit einem Puma verwechselt.«
    Zweifelnd blickten sich Poldi und Elisa an, als er im grünen Dickicht verschwand. Es beruhigte sie, dass er nach Konrad schrie – ein Laut, der auch diesem nicht entgehen würde. Er geriet krächzend, wahrscheinlich, weil er so selten sprach und noch seltener schrie.
    Doch schließlich senkte sich wieder Stille über den Wald. Nur mehr Knirschen und Rascheln kündeten davon, wohin seine Schritte führten, doch vielleicht stammte beides auch von flüchtendem Getier.
    Da ertönte plötzlich wieder ein Schuss, diesmal nicht ganz so laut wie vorhin, doch umso erschreckender, weil sie gehofft hatten, Konrad hätte Jakob Steiner längst gehört.
    »O mein Gott! Vater!«, schrie Poldi.
    Die Antwort blieb aus.
    Gerade noch rechtzeitig konnte Elisa Poldi packen, als er nun auch in das Dickicht stürzen wollte. »Nicht!«, schrie sie. »Es ist zu gefährlich!«
    Poldi rang mit ihrem Griff, aber es geriet nur halbherzig; schließlich gab er nach.
    »Vater …«, stammelte er wieder.
    Fast schmerzhaft war das angestrengte Lauschen, das folgte. Elisa wurde steif; alles in ihr spannte sich an, wartete auf einen weiteren Schuss oder ein erlösendes Signal, dass Jakob wohlbehalten war. Doch dann war ein ganz anderer Laut zu hören – ein nur allzu vertrauter.
    Wie ein Seufzen würde es klingen, wenn eine Araukarie fiel, hatte sie einmal zu Fritz gesagt, wie der letzte Atemzug eines uralten Menschen, der sein Leben aushaucht. Es war ein trauriger Laut, kündete vom Ende dessen, was nicht nur wenige Jahre, sondern jahrhundertelang gewachsen war. Ein Rascheln der Blätter folgte, ein Knirschen der Nadeln, schließlich das aufgeregte Flattern von Vögeln. Und dann, dann war da dieser Knall, der die Erde kurz zum Beben brachte und eine Weile weiterzuhallen schien.
    Jedes Mal, wenn sie einen Baum schlugen, hatte Elisa den Aufprall des Stammes ebenso herbeigesehnt wie gefürchtet. Unheimlich war ihr dieser; auch wenn die Neigung klar in eine andere Richtung ging, hatte sie immer das Gefühl, gleich aus Rache erschlagen zu werden, weil sie

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