Im Land der gefiederten Schlange
Land nicht hält?«
Anton Mühlbach, sein Kamerad seit der Kadettenzeit, lachte. »Das Land? Mich wundert mehr, warum dich das zuckrige Geschöpf, mit dem du verlobt bist, nicht hält. Weißt du Glückspilz überhaupt, dass jeder Mann der Kompanie grün vor Neid auf dich ist?«
»Und ob ich das weiß.« Valentin ließ seinen Fingern die Zügel entgleiten, dass der Goldfuchs den Hals recken konnte, und wandte den Blick nach den Weinbergen, die seine Verlobte, die Erbin des Baron von Spaur, ihm einbringen würde, sobald sie verheiratet wären. Natürlich wusste er, dass ihm die Kameraden die reizende, gerade sechzehnjährige Veronika ebenso wie ihre üppige Mitgift neideten, er hätte an ihrer Stelle nichts anderes getan. Auch das Erbe von der mütterlichen Seite mochte in manchem, der wie Toni nichts zu erwarten hatte, Neid erwecken. Valentins Mutter war eine geborene von Tschiderer, und da ihr Bruder kinderlos war, würde er, ihr einziger Sohn, nach dessen Tod Herr über das Gut werden, auf dem er und Toni ihren Urlaub verbrachten. Er hatte allen Grund, seinem Schicksal dankbar zu sein, und doch schickte er sich an, das alles aufs Spiel zu setzen.
Es ist mir in den Schoß gefallen. Wie soll man sein Herz an etwas hängen, das so leicht zu bekommen war?
»Solferino«, vernahm er an seiner Seite Toni, der ebenfalls seinem Pferd die Zügel schießen ließ. »Das sitzt uns im Blut. Nach einer solchen Demütigung verlangt es einen Mann nach einer Herausforderung, mit der er die Scharte auswetzen kann.«
Das war gut gesprochen. Die Niederlage gegen die sardischen Truppen und ihre französischen Verbündeten lag zwei Jahre zurück, aber die Erinnerung an die erlittene Schmach brannte mit unverminderter Kraft. Sie hatten nicht nur ihren Kaiser enttäuscht, dem Valentin, wenn er ehrlich war, wenig Liebe entgegenbrachte, sondern vor allem ihr verehrtes Idol – Erzherzog Max, des Kaisers jüngeren Bruder.
Maximilian von Habsburg war der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, einst ein maroder Haufen unbrauchbarer Scharteken, den er dank seiner Talente in eine moderne Kriegsflotte verwandelt hatte. Galt der Kaiser als konservativer Spießer, der jeden Hauch von Fortschritt in seinem Reich erstickte, so herrschte dort, wo Erzherzog Max die Bühne betrat, der Wind der neuen Zeit. Er war nur wenig älter als Valentin, und zuweilen glaubte dieser den bewunderten Mann so inwendig zu kennen wie sich selbst. Beide träumten sie von Ferne und Abenteuer, vor allem aber von einer Gelegenheit, sich vor der Welt zu beweisen – von einer Aufgabe, die nicht leicht und banal war, sondern sie über ihre Grenzen trieb.
Wir hätten Freunde sein können, dachte Valentin mit dem Bild des Erzherzogs vor Augen, hätte meine Geburt mich an einen anderen Platz gestellt.
Das nämlich war der Stachel, der tiefer als jede Niederlage in seinem Fleisch bohrte. Seine Mutter mochte dem ältesten Tiroler Adel entstammen, sein Vater jedoch war ein bürgerlicher Wiener Beamter gewesen, der Frau und Kinder bei seinem Tode mittellos zurückließ. Als Bittstellerin hatte die Mutter in ihr Elternhaus zurückkehren müssen. Valentin selbst hatte sich im Heeresdienst vom ersten Tag an ausgezeichnet. Befehlshaber lobten seinen Schneid, und nach Solferino war er für seine Tapferkeit dekoriert worden. »Sie sind ein Aushängeschild für Ihr Regiment, Gruber«, hatte sein Hauptmann gesagt, doch einen Titel würde er erst tragen, wenn es dem Onkel einfiel, seinen Platz zu räumen.
Es sei denn, ich darf mir den Titel selbst erringen. An der Seite von Max, bei einer Aufgabe, die dem Rest der Welt unlösbar scheint.
»Woran denkst du denn, Vally? An deine Veronika? Lange werdet ihr beide ja mit der Hochzeit kaum warten wollen.«
Der bloße Gedanke verursachte Valentin Magengrimmen. Gewiss liebte er Veronika und war sicher, dass sie allein würdig war, die Mutter seiner Kinder zu werden. Aber für diese Dinge war es noch zu früh. Die Unruhe, die ihm im Herzen wühlte, der Wunsch, nach den Sternen zu greifen und etwas wahrhaft Großes zu vollbringen, musste erst befriedigt sein.
»Toni«, sagte er, nahm die Zügel wieder auf und brachte den Goldfuchs zum Stehen, denn er wollte mit dem anderen reden, ehe sie das Torhaus des Guts erreichten. »Du bist mein Freund, nicht wahr?« Dass Toni sich mit größtem Stolz seinen Freund nannte, wusste er, auch wenn er selbst insgeheim noch immer auf den Mann, den er als Freund empfand, wartete.
»Aber ja doch. Warum fragst
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