Im Land der gefiederten Schlange
nur wissen, dass ich mir Mühe geben würde, unser Eheleben zu einem Erfolg zu machen, und dass ich glaube, wir könnten zufrieden sein.«
30
Eines Tages hatte die Frau vor der Tür gestanden.
Sie brauche Geld, hatte sie gesagt, genug, um mit ihrem Kind übers Land zu reisen, zu ihrer Familie in irgendwelchen Bergen. Nur flüchtig hatte Marthe zu hoffen gewagt, sie sei eine gewöhnliche Bettlerin, der sie die Tür weisen könne. Dann hatte die Frau ihr auf der schmutzigen Hand etwas entgegengehalten, und sie hatte gewusst, dass ihr Alptraum wahr geworden war.
Sie hatte einen Mitwisser.
Sie hatte der Frau gegeben, was sie verlangte. Es war schließlich nur Geld, von dem Peter nicht einmal bemerkte, dass es fehlte. Er war noch immer ein Arbeitstier und schuftete von früh bis spät, aber Erfolge kümmerten ihn nicht mehr, und Marthe kümmerte nur eines: Katharina und die Hoffnung, sie werde eines Tages doch noch heiraten und ihr ein Enkelkind schenken.
Einmal, an einem Abend im Bürgerkrieg, hatte Fiete sich an einer Scheußlichkeit namens Aguardiente betrunken und durch die Nacht geheult, er habe nicht nur seine Kinder, sondern auch seine Enkel verloren, die Zukunft seines Stammes – mit seinem Tod sei alles zu Ende. Für Fietes Schwäche hatte Marthe nur Verachtung übrig, aber sein Schmerz war ihr nahe. Für sie beide gab es keine neue Generation. Felix war mit gerade sechzehn von zu Hause fortgelaufen, und Hermann hatte zwar kurz nach ihrer Ankunft ein Brauereipferd namens Juliane geheiratet, doch zu beider Kummer blieb die Ehe kinderlos. Katharina ihrerseits war die beste Tochter, die Eltern sich wünschen konnten, aber sobald ihre Mutter das Thema Heirat nur streifte, schnappte sie wie eine Muschel zu.
»Ich bin mit meinem Beruf verheiratet«, erklärte sie schroff. »Die Schule ist mein Leben.«
Und mein Leben bist du, dachte ihre Mutter, nach dreiundfünfzig Jahren auf diesem Planeten habe ich nur noch dich. Als die Frau noch einmal auftauchte, gab sie ihr wieder Geld. Von da an lebte sie zwei Jahre lang in Angst und der Gewissheit, sie würde wiederkommen.
Sie kam am Morgen nach Palmsonntag. Wie jedes Jahr waren abscheuliche Riesenfiguren und Palmwedel durch die Straßen geschleppt worden, und Marthe saß der dunkle Singsang noch in den Ohren und das Grauen in den Knochen. Zu einem falscheren Zeitpunkt hätte die Frau nicht kommen können. Aus dem Geschäft floss im Moment kein Geld, da es hieß, es ziehe wieder einmal eine Armee der Stadt entgegen, und für den Notfall müssten in der Kasse Rücklagen bleiben. Marthe hatte kaum einen Peso im Haus. »Kommen Sie heute Abend wieder«, beschwor sie die Frau, die diesmal zumindest sauber war und das Kind nicht bei sich hatte. »Nein, hören Sie, ich komme zu Ihnen. Wo wohnen Sie?«
Die Frau lachte hässlich auf. »Was denken Sie denn? In einer Lehmhütte bei den Léperos? Da haben Sie falsch gedacht. Sie finden mich in einem hübschen Hotel in Tacubaya.«
Das du mit meinem Geld bezahlen willst. Zorn schnürte Marthe die Kehle zu. Tacubaya war der Vorort, in dem die Reichen der Stadt ihre Landhäuser hatten. Auch der Erzbischof Mexikos besaß dort eine prunkvolle Villa und einen nach Eukalyptus duftenden Garten. Was gab einer Diebin und Erpresserin das Recht, dort ein Hotel zu betreten und sich wie eine Fürstin bedienen zu lassen? Marthe würde einen Wagen nehmen müssen und stundenlang unterwegs sein. Vor allem aber musste sie das Geld auftreiben.
Es gab nur eine Möglichkeit, nur einen Menschen, der die Bürde mit ihr teilen konnte, auch wenn sie ihn bald dreißig Jahre lang geschont hatte, weil er nicht den Mumm dazu besaß. Um zum Geschäftshaus zu gelangen, musste sie von dem weiß verputzten Monstrum, das die anderen die Hartmann-Burg nannten, die breite Calle de San Jorge hinuntergehen, auf der sorgloses Volk flanierte und im Schatten der Palmen die laue Frühlingsluft genoss. Welch ein Segen, hatte Marthe gedacht, als sie hier angekommen war und die Luft gekostet hatte, die nicht schwer und schwül, sondern federleicht gewesen war. Und wenn wir kein Geld mehr haben und wenn alles zwischen Peter und mir gestorben ist, vielleicht werde ich hier zu Atem kommen. Den Druck auf der Brust loswerden, das Geheul der Llorona in der Nacht, die Erinnerung. Jahrelang hatte sie daran geglaubt. Hatte auf die Zukunft gehofft, trotz Katharinas Weigerung, ans Heiraten zu denken. Heute wünschte sie die klare Luft zum Teufel und den Spaziergängern die Schwarze
Weitere Kostenlose Bücher