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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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Vizekönige von Mexiko stand, hatte Claudius von Schweinitz seinen Landsitz, ein breitfrontiges, weiß verputztes Haus im Kolonialstil. Der Garten, den seine Frau pflegte, war ein mit natürlichen Wasserläufen, saftigem Grün und duftenden Blüten angelegtes Eden. Auf einem gepflasterten Rondell standen die in den Tropen so beliebten Korbmöbel, und dort empfing ihn der Baron. »Gleich zur Begrüßung muss ich Sie enttäuschen«, sagte er. »Meine Tochter ist nicht hier. Meine Frau und ich fanden, Jung und Alt unter einem Dach beschwöre Krisen geradezu herauf. Deshalb hat Martina ihren eigenen Haushalt in der Stadt.« Als Christoph nichts zu sagen wusste, weil ihm die Welt des Mannes so fremd war, hob der Baron die Brauen. »Sie wollten doch zu meiner Tochter? Falls Sie wegen der Sache mit der Seide gekommen sind – vergessen Sie’s. Mir sind auch schon Summen im Mictlan verschwunden, ohne dass es eine Erklärung dafür gab. Sie haben andere Sorgen. Wollen Sie sich nicht setzen?«
    Christoph setzte sich und ließ sich von dem angebotenen Getränkewagen ein geeistes Glas Weißwein einschenken. Er neigte nicht dazu, andere zu beneiden, weil er sich das Leben, das er führte, selbst eingebrockt hatte, aber er neidete dem Mann im hellen Anzug und Strohhut seine Seelenruhe. »Wissen Sie etwas von Katharina?«, brachte er heraus.
    »Sie ist wohlauf.« Claudius von Schweinitz lächelte. »Dass meine Tochter keine Pura aus ihr macht, kann ich nicht versprechen, aber ansonsten tun die beiden einander gut, denke ich.«
    »Hat sie … hat sie gesagt, wann sie zur Familie zurückkehrt?«
    »Liegt das nicht in Ihrer Hand?« Der helle Blick des Barons traf den seinen. »Herr Hartmann, wie Sie und die Ihren miteinander umgehen, obliegt Ihnen, nicht mir. Aber Ihre Katharina ist mir ans Herz gewachsen. Erlauben Sie mir zu fragen: Hat sie kein Recht darauf zu wissen, woher sie stammt? Wie soll sie es wagen, eine Familie zu gründen, solange sie nicht weiß, wer sie ist?«
    »Sie ist Katharina Lutenburg«, erwiderte Christoph spontan. »Peters und Marthes Tochter, ein Mitglied unserer Familie. Bitte glauben Sie mir, das ist sie immer gewesen. Wir haben sie nicht weniger geliebt als – unsere übrigen Kinder.«
    »Aber Sie haben einen Unterschied gemacht«, gab der Baron zu bedenken. »Es gibt Katharina, und es gibt die übrigen Kinder. Sind Sie sicher, dass sie davon nie etwas gespürt hat?« In den Baumkronen lärmten Vögel mit rotem, orangegelbem und königsblauem Gefieder. Claudius von Schweinitz stopfte seine Pfeife, steckte sie an und lehnte sich wohlig zurück.
    »Wie haben Sie das geschafft?«, platzte Christoph heraus. »Hier Fuß zu fassen, meine ich, hier zu leben, als wären Sie daheim.«
    »Ganz einfach.« Der Baron lächelte. »Ich bin hier daheim. Wissen Sie, was ich glaube, Herr Hartmann? Man kann sich kein neues Land zu eigen machen, wenn man es nicht mit Armen wie Baumwurzeln und mit dem Herzen einer Jungfrau umfängt. Wie können Sie schneebedeckte Vulkane, die Endlosigkeit einer Steppe und die Demut unter rauschenden Zypressen lieben, wenn Sie sich nach Seenebeln und Salzwiesen, nach Sanddorn und Dünenrosen sehnen? Wie sollen Sie sich eine feurige Chili Tamale schmecken lassen, wenn Ihr Gaumen von Krabbenfrikadellen träumt?«
    »Tut der Ihre das nie?«, fragte Christoph leise.
    Claudius von Schweinitz zog an seiner Pfeife. »Doch, oft«, erwiderte er. »Aber wenn ich ihm einen in Cilantro und Zitronenpfeffer gebackenen Schwertfisch vorsetze, lässt er sich im Handumdrehen trösten. Ich stelle es mir höchst schmerzlich vor, sein Land zu verlassen, wenn man mit einem Fuß dort stehen bleibt. Für diesen Spagat haben Sie mein Mitgefühl. Wer einen Ort nicht verlassen will, kann sich schlecht darüber freuen, an einem anderen anzukommen.«
    »Wir wollten mit beiden Füßen stehen bleiben«, murmelte Christoph. »Den Kindern beibringen: Auf der anderen Seite der Welt ist die Heimat, und irgendwann gehen wir dorthin zurück. Sie sollten wissen, wo sie hingehören.«
    »Katharina besonders?«
    »Ja, Katharina besonders. Sie sollte sich nicht zerrissen fühlen.«
    »Herr Hartmann«, sagte Claudius von Schweinitz, »glauben Sie, meine Tochter fühlt sich zerrissen?«
    Christoph brach der Schweiß aus den Poren. »Aber Ihre Tochter ist eine …«, entfuhr es ihm, ehe er verstummte.
    Der Baron lachte. »Es macht Sie sympathisch, wie Sie ständig versuchen Worte zu vermeiden, um nur ja nichts Falsches zu sagen, aber

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