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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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Heimat dürfte sie kaum gewesen sein.«
    »Warum denn nicht?«, rief er hastig. »Viele Europäerinnen haben schwarzes Haar. Du hast doch die Bilder von Charlotte von Habsburg gesehen, oder nicht?«
    Sie nicht zu sehen wäre schwergefallen. Seit dem frühen Sommer hingen die Bilder des Paares, das sich allen Ernstes zu Kaiser und Kaiserin von Mexiko erklärte, überall aus. Neuerdings war es sogar Pflicht, vor dem Doppelporträt seinen Hut zu lüften. »Charlotte von Habsburg wird meine Mutter nicht sein«, versetzte sie schneidend. »Soweit ich weiß, ist sie acht Jahre jünger als ich.«
    »Katharina …«
    »Wer war sie?«, schnitt sie ihm das Wort ab.
    »Eine Kreolin«, murmelte er, den Blick zu Boden gesenkt. »Ein … Dienstmädchen.«
    »Dafür scheint in unserer Familie ja eine Vorliebe zu herrschen.« Gehörte die kalte, vor Zynismus ätzende Stimme wahrhaftig ihr?
    »Katharina«, murmelte Christoph von neuem.
    »Ist das überhaupt mein Name?«, fuhr sie ihn an. »Wer hat ihn mir gegeben? Du? Das kreolische Dienstmädchen?«
    »Marthe und Peter«, sagte er.
    »Katharina.
Die Reine.
Wie passend.« Sie brach in ein Gelächter aus, das in ihren Ohren hysterisch gellte. Und dann fiel ihr ein, weshalb seine Erklärung in das Gefüge nicht passte, weshalb sie klang wie an den Haaren herbeigezerrt. »Weshalb hat Traude gesagt: ›Die Tochter des Mörders‹? Hast du jemanden umgebracht?«
    Christoph zuckte zusammen. Dann führte er die Finger an die Schläfen und schüttelte den Kopf. »Das hat sie nicht so gemeint.«
    »Sprich weiter«, befahl sie. »Wie hat sie es gemeint, wenn nicht so?«
    »Nun, deine Mutter – sie ist doch im Kindbett gestorben, und Traude …«
    »Traude hat Mitleid mit einem kreolischen Dienstmädchen, das sich mit verlobten Männern einlässt?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Sie mochte mich nie. Du musst sie verstehen, es war damals eine harte Zeit. Das Geschäft brachte nicht einmal genug für die, die schon da waren, ein, und dann standen auf einmal wir vor der Tür und mussten versorgt werden. Mein Vater hatte nicht einmal einen Brief vorausgeschickt. Die Forderung nach Lösegeld war das Erste, was sie von uns hörten.«
    »Welche Forderung nach Lösegeld?«
    »Das tut nichts zur Sache«, erwiderte er schnell.
    Wie viel hielten sie noch vor ihr verborgen?
Ein deutsches Mädchen lügt nicht –
welcher Hohn lag in dieser Behauptung! Das deutsche Mädchen, das nicht log, stand von Lügnern umgeben auf verlorenem Posten. »Nun gut«, wandte sie sich wieder an Christoph, »dann tut es eben nichts zur Sache. Aber weshalb Traude dich einen Mörder nennt, weiß ich noch immer nicht.«
    Noch einmal zuckte Christoph mit den Schultern und wiederholte: »Sie hat es nicht so gemeint.«
    Über die Außentreppe trat Martina aufs Dach. Sie steckte im Reitdress, die Gerte lässig gegen die Stiefel wippend. Ein Wesen aus einer anderen Welt. »Lasst euch nicht stören«, rief sie ihnen zu. »Ich habe Gäste mitgebracht und hole uns nur rasch ein paar Limonen.« Martina hatte ständig Gäste, die das Haus mit ihrem Lachen füllten. Meist forderte sie Katharina auf, sich ihnen anzuschließen, doch sie fühlte sich nicht in der Lage dazu. Wie sollte sie fremden Menschen begegnen, wenn sie sich selbst eine Fremde war? Sie musste daran denken, wie sie sich als Kind getröstet hatte: Egal, wie es ausgeht, heute Abend naschst du bei der Sanne vom Weckenteig, und an ihren Vater, der für sie gesungen hatte: Es wird alles wieder gut, nur ein kleines bisschen Mut.
    Ihr Vater war nicht ihr Vater, es wurde nichts mehr gut, und von Wecken wäre ihr übel geworden.
    Die Limonen, die Martina in ihren Korb pflückte, waren zweifellos ein Vorwand, um nach Katharina zu sehen. »Lasst euch Zeit«, flötete sie auf dem Weg zur Treppe, blieb dann aber kurz bei ihr stehen. »Ruf mich, wenn du mich brauchst«, sagte sie leise. »Ich muss unten darauf achten, dass zwei Herren der Schöpfung sich nicht die hübschen Köpfe einschlagen, aber für dich lasse ich sie jederzeit im Stich.«
    Demnach hatte sie ihren Bräutigam und ihren schönen Offizier bei sich. Katharina rang sich ein Lächeln ab. »Dank dir. Ich komme schon zurecht.«
    »Ich möchte Katharina gern mit nach Hause nehmen«, mischte sich Christoph ein.
    Martina wandte sich ihm zu. »Das ist Katharinas Entscheidung«, entgegnete sie. »Mein Haus ist ihr Haus, solange sie es wünscht.«
    »Ich bleibe hier«, sagte Katharina. »Sobald wir fertig sind, komme ich

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