Im Land der gefiederten Schlange
Der hätte dich vergessen machen, wie du heißt.«
»Du hättest ihn aber nicht überreden können«, bemerkte Felix spitz, während eine eisige Schneide Katharina durch die Brust pflügte. »So wenig, wie er sich deinen tödlichen Kakao aufschwatzen lässt – auch wenn er der letzte Mann von Mexiko sein mag, der nicht springt, wenn Martina von Schweinitz pfeift.«
Martina packte einen der Pinsel und warf ihn nach ihm. Ein weißer Farbtropfen löste sich und platschte auf die rötliche Fliese. »Eifersüchtig?«
»Natürlich. Es gibt nur wenig Dinge, die ich meinem Freund Benito nicht gönne. Eines davon bist du.«
Katharina hörte ihre Gläser aneinanderklirren. »Schatz, du wolltest dir einen Schwips antrinken!«, rief die Freundin ihr zu.
Katharina führte das Glas zum Mund. Der Champagner war zu warm, aber der Kälte in ihrer Brust hatte er nichts an. »Der Mann«, begann sie und bildete sich ein, die Worte würden in dem leeren Raum hallen, »der Mann, der eben hier war und für den du deine Hochzeit verschoben hast, heißt Benito Alvarez?«
Martina und Felix tauschten einen Blick. »Könntest du das für dich behalten?«, fragte Martina, aus deren Stimme jedes Amüsement gewichen war. »Es wäre äußerst unerfreulich, wenn jemand davon erfährt.«
»Aber du hast doch gesagt, es ist einer von Juárez’ Offizieren!«, brach es aus Katharina heraus.
Noch einmal tauschten Martina und Felix einen Blick, dann räusperte sich Felix und sagte: »Juárez hat ja in der Hauptstadt gar keine Offiziere mehr. Er und seine Regierung sind irgendwo im Norden, außerhalb der französisch besetzten Gebiete.«
Katharina kam sich entsetzlich dumm vor. Sie war Lehrerin, sie kämpfte für die Bildung von Mädchen, aber seit das Kartenhaus ihres Lebens eingestürzt war, hatte sie aus den Augen verloren, was in ihrem Land vor sich ging. »Falls ihr versucht etwas vor mir zu verbergen, so ist das nicht nötig«, sagte sie. »Wer immer der Mann ist, ich werde bestimmt niemandem erzählen, dass er bei dir ein und aus geht und deinen Bräutigam zur Weißglut bringt. Meine Frage war rein privater Natur. Vergiss sie.«
Martina nahm ihre Hand. »Danke, Kathi. Ich kann eine grässliche Idiotin sein. Der Mann, der hier war, ist ein Puro, der sich ein bisschen vorsehen muss, weil die Franzosen ein Auge auf ihn haben. Er hat mir nur einen alten Gaul gebracht, den er sonst nirgendwo unterstellen kann.«
»Kommt er wieder?« Katharina wünschte, sie hätte die Frage greifen und in ihre Kehle zurückstopfen können. Was wollte sie tun, wenn er wiederkam? Hinaus in die Nacht fliehen wie ein kopfloses Kind? Das Haus verlassen, obwohl sie kein anderes hatte, keine andere Familie als diesen wiedergefundenen Vetter und seine Verlobte? Ich werde sitzen bleiben und ihm die Hand geben, und wenn er sie nimmt, wird ihre Kälte ihn erschrecken. »Sie müssen entschuldigen, Señor Alvarez, ich erinnere mich nicht. Katharina Lutenburg? Wer ist das? Ich bin eine halbe Kreolin, mein Vater heißt Hartmann, und wie ich heiße, weiß ich nicht.«
Vermutlich würde er sie gar nicht erkennen. Vermutlich hatte er ihren Namen vergessen.
»Kathi? Ist dir nicht gut?« Neben ihr auf dem Boden hockte ihr kleiner Vetter, der nicht mehr klein, sondern gänzlich erwachsen war und mit besorgtem Blick zu ihr aufsah. »Ist es wegen dieser Sache mit unserer Familie, die Martina mir erzählt hat? Vielleicht solltest du das lieber nicht trinken – du siehst wirklich elend aus.«
Ehe er ihr das Glas entwinden konnte, setzte sie es an und trank es leer. »Hast du es gewusst?«, fragte sie ihn.
»Nein. Ich weiß immer noch nichts.«
»Onkel Christoph ist mein Vater.« Kaum hatte sie es ausgesprochen, brach sie in Gelächter aus.
Während sie lachte, hielt Felix den Blick auf sie gerichtet, und als sie schwer atmend verstummte, zupfte er an ihrem Haar und fragte: »Und wer soll deine Mutter sein? Die bleiche Tante Inga?«
Katharina entriss Martina ihre Hand und zeigte sie Felix. »Eine Kreolin namens
Dienstmädchen.
Zumindest hat mir niemand einen anderen Namen genannt. Das hier ist ihr Ring.«
Martina und Felix beugten sich über die schimmernden Steine, bis ihre Köpfe sich berührten. Irgendwann blickten beide wieder auf. »Das ist der Ring eines kreolischen Dienstmädchens, ja?« Martina furchte die Stirn. »Mein Schätzchen, Dienstmädchen tragen höchst selten Rotgold und Kreolinnen keinen Lapislazuli.«
Kurz schwiegen sie alle, und Martina schenkte ihre
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