Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
Vom Netzwerk:
mit der entzündeten Haut sehr junger Männer. »Anfangs ist’s mir übel aufgestoßen, unter einem wie dir zu dienen. Auf unserer Hacienda haben wir deinesgleichen zum Leeren der Mistkübel, aber inzwischen hab ich gelernt, was für ein famoser Kerl du bist. Ich würde meine Hand für dich ins Feuer legen, weißt du das? Ich würde dir meine Schwester zur Frau geben.«
    »Hier leerst du deinen Mistkübel selbst«, erwiderte Benito. »Deshalb rate ich dir, mit dem Trinken aufzuhören, sonst nimmt das Leeren heute Nacht kein Ende. Und deine Schwester wird sich wundern, wenn nach dem Krieg zwölf Bräutigame vor der Tür stehen, so oft, wie du die versprochen hast.«
    »Ach, die kann das bewältigen«, behauptete Guerrero unbekümmert. »Die hat einen Magen aus Eisen, so wie ich. Außerdem nimmst du sie ja gar nicht. Auch wenn du noch so verschwiegen tust und keinen Alkohol anrührst – es weiß trotzdem jeder, dass dein Herz der Medica Martina gehört.«
    »In der Tat. Das weiß jeder«, brummte eine Stimme in Benitos Rücken. Er drehte sich um und sah Romero, der seine Massen unter den Zweigen hindurchzwängte. »Er hat mich sogar um eine Woche Urlaub gebeten, damit er seine Medica linda sehen kann, aber ich hab’s ihm abgeschlagen. Erst raus mit dem Österreicher aus unserem Land, hab ich gesagt. Den Lohn von euren Turteltäubchen könnt ihr euch hinterher abholen.«
    »Ich habe ihn um Urlaub gebeten, weil die Medica heiratet«, stellte Benito gleichmütig richtig.
    »Aber nicht dich, was?« Romero brach in viel zu lautes Gelächter aus. Wenn er das tat, konnten sie sicher sein, dass in dieser Nacht keine feindliche Bewegung zu befürchten war. Der Mann hörte das Gras wachsen. »Pobre Precioso! Wozu wolltest du den Urlaub denn haben? Um dein verwundetes Herz zu kühlen oder um die Holde vom Altar weg zu entführen?«
    »Um den Trauzeugen des Bräutigams zu spielen«, antwortete Benito.
    Sie lachten jetzt alle. Ein paar Stunden lang machten Alkohol und die Gelassenheit ihres Befehlshabers die Furcht in ihnen klein. Ehe sie schlafen gingen, würden sie auf den nahen Sieg anstoßen, auf die amerikanische Union, die ihnen zu Hilfe eilen würde, und auf das paradiesische Leben, das nach dem Krieg auf sie wartete.
    »Pass auf, ich sag dir, was wir tun, Kakaogesicht«, rief Romero. »Der gekrönte Lackaffe soll noch mehr von seinen Österreichern geschickt haben, um mich zu schnappen. Kavallerie. Wir zwei suchen uns zehn Männer aus, schlagen uns zu den Pferden durch und reiten nach Zitacuaro, um uns den Haufen mal anzusehen. Wenn’s gut ausgeht, musst du leider hierbleiben und deinem Vaterland dienen bis zum Schluss. Wenn’s aber böse ausgeht und ich ins Gras beiße, dann lädst du deinem Prachtgaul meine Leiche auf und bringst sie meiner Laura in die Hauptstadt. Hinterher darfst du dafür auf der Hochzeit von deiner Medica tanzen.«
    »Das scheint mir ein ausgesprochen idiotischer Plan«, bemerkte Benito, wohl wissend, dass sein Versuch sinnlos war. Das war die Gefahr, die in Romeros militärischem Genie lauerte, seine Lust zu spielen und den Gegner zu reizen. Über ihn kreisten Legenden, er könne an drei Orten zugleich sein, und er tat alles, um diese Legenden zu füttern.
    »Was willst du damit sagen? Dass dein Befehlshaber ein Idiot ist?«
    »Ja, Señor Comandante.«
    »Und weißt du auch, was ich dafür mit dir machen könnte, du Sohn von einem Kojoten?«
    »Sie könnten auf mich hören«, erwiderte Benito. »Aber leider werden Sie das nicht tun, also spare ich mir meinen Atem.«
    Romero lachte. »Also morgen früh, Aufbruch vor Sonnenaufgang. Wir können ein bisschen Bewegung brauchen, wir wollen doch kein Fett ansetzen, was?«
    Sie leerten alle Näpfe bis auf die blanken Böden, dann trennten sie sich geradezu zärtlich und verteilten sich auf ihre Schlafplätze. Benito schüttelte Insekten aus den Decken und gab eine dem schwankenden Guerrero, der sich das Versteck mit ihm teilte. Der Mann summte eine schwelgende Folge von Tönen vor sich hin. Er war so jung, wie Benito gewesen war auf den Trümmern von Veracruz.
    »Wir werden siegen, nicht wahr?«, fragte Guerrero und rollte sich auf dem Boden in seine Decke ein.
    »Vielleicht nicht gerade morgen«, antwortete Benito. »Aber ich denke, irgendwann schon.«
    »Und die Gringos von der Union? Werden die auch bald siegen und uns zu Hilfe kommen?«
    Benito überlegte eine Weile. »Ich glaube nicht«, sagte er dann. »Dass Lincolns Union siegt, gewiss. Auch,

Weitere Kostenlose Bücher