Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
Vom Netzwerk:
Wald in die Höhe, wo sich das Blauviolett des Gipfels aus dem Nebel schälte. »Ja, Señor Comandante«, sagte er. »Ich finde, es ist das schönste Wort auf der Welt.«
    »Es ist also gar nicht die Medica Martina, nach der du dich verzehrst, sondern irgendein verkümmertes affenbraunes Rättchen aus deinem Zeltdorf in Querétaro?«
    Es tat weh. Als schlüge einen jemand unentwegt auf dieselbe Stelle, an der man längst nichts mehr spürte – dann aber schlüge er eine Handbreit daneben, und man krümmte sich. »Sehr wohl, Señor Comandante«, erwiderte er. »Sie treffen den Nagel auf den Kopf.«
    »Du bist ein komischer Vogel«, sagte Romero. »Wenn du die Wette verlierst, will ich, dass du mir erzählst, warum du dich nach dieser Itaka verschmachtest, wo du an jedem Finger drei sahneweiße Engel haben kannst.«
    »Und ich will, dass Sie nicht tot sind, wenn ich die Wette verliere«, erwiderte Benito.
    »Hast du mich so in dein Herz geschlossen, Brauner?«
    »Nein. Sie sind gut für die Moral der Leute. Solange Sie siegen, gelingt es uns zumindest zeitweilig zu glauben, wir hätten die Spur einer Chance.«
    Sie ritten bis an den Fuß des Hügels und dann hinauf, vornübergebeugt, um die Pferde zu entlasten. Ehe sie den Kamm erreichten und die Stadt in Sicht kam, fragte Romero mit gedämpfter Stimme: »Was glaubst du? Haben wir die Spur einer Chance?«
    Benito ballte die Fäuste um die Zügel. »Ja«, sagte er. Es war das, was er glauben wollte.
    Auf dem östlichen Pass, der Zitacuaro überragte, verbrachten die Männer einen ereignislosen Tag. Die Nachmittagssonne lag wie ein träges Tier auf den Dächern und Kuppeln der Stadt, und von den österreichischen Einheiten, die in die Gegend versetzt worden waren, war nichts zu sehen. Benito hatte nichts anderes erwartet. Romero hatte gewusst, dass die Österreicher auf der Westseite kampierten, sonst hätte er die andere Seite gewählt.
    Erst in der Abendkühle, als sie den Rückweg antraten, bekam er die Männer zu Gesicht. Eine Einheit Kavalleristen, die von Westen her Patrouille ritt. Wohlgenährt, gut beritten und bewaffnet, in dunklen Uniformen, die wie frisch gebürstet wirkten. Dass sie das Gelände nicht kannten, war ihrem Zaudern anzumerken, doch ansonsten waren sie ihnen überlegen. Sie würden ihren Standpunkt verlegen müssen.
    Geschützt von einem Vorsprung, sah Benito die Reiter, fünf Mannslängen unter sich. Ihr Capitán ritt einen hellen Goldfuchs und hatte Haare von derselben Farbe. Benito stockte. Auf einmal war er sicher, den Mann bereits gesehen zu haben, und gleich darauf fiel ihm ein, wo – auf dem Zócalo. An dem Tag vor bald einem Jahr, als der Habsburger in der Hauptstadt angekommen war. Benito hatte einen Einsatz überwacht, im Pulk versteckte Leute, die einen albernen Triumphbogen umstießen, und das Mädchen war ihm geradewegs vors Pferd gelaufen.
Felice.
Die aussah wie ihre Mutter, Josephine Hartmann, an deren rührenden Ernst Benito kaum denken konnte, ohne zu lächeln.
    Sie sei mit ihrer Lehrerin hier, hatte das Mädchen gesagt. Sosehr sie bettelte, sie wolle noch bleiben, hatte er sie zu der Lehrerin zurückgebracht und dabei den Mann gesehen, der jetzt unter ihm entlangritt. Er hatte sich durch die Menge geschlagen, um seinen Kameraden zu folgen, dann aber hatte er sich umgedreht, nach einer Frau mit taillenlangem Haar. Felices Lehrerin.
Katharina.
Über alle Köpfe hinweg hatte sie sich nach ihm gereckt.
    Sobald die Kavalleristen außer Hörweite waren, brachen die Männer auf und trafen am Waldsaum auf Romeros Trupp. Sie hatten sich keine Mühe gegeben, sich tiefer in die Deckung des Waldes hineinzuschlagen, sondern kampierten auf einer Lichtung, die zum Tal hin von nicht mehr als drei Reihen hoher Pinien geschützt war. Ein Feuer war bereits entfacht, obwohl die Sonne eben erst unterging und ein Späher gute Sicht gehabt hätte. Wenigstens die Pferde waren hinter dichtem Gebüsch versteckt.
    Ein erbeuteter Hammel lag zum Rösten bereit, und dazu gab es Wein, den Romero über den Nadelteppich des Waldes strömen ließ. Er war blendender Laune. »Die Franzmänner werden Pulque saufen müssen!«, rief er. »Ihren Traubensaft saufen wir.« Benito habe die Wette verloren, trumpfte er auf, er nämlich sei den Maxen so nahe gewesen, dass er ihnen auf die Epauletten hätte spucken können. An solchen Husarenstücken hatte er sein Vergnügen. »Trink, mein armer Brauner«, sagte er zu Benito. »Zwei Einheiten Kavallerie und zwei Jäger

Weitere Kostenlose Bücher