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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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dass dann vieles für uns leichter wird, weil wir Waffen kaufen und Freiwillige anwerben können. Dass aber die Union Truppen über den Rio Grande schickt, kann ich mir nicht vorstellen, und ich weiß auch nicht, ob mir das gefallen würde. Letztendlich würden wir uns, um die eine Armee aus dem Land zu treiben, eine andere hereinholen und müssten diese dann auch wieder loswerden. Nein, Cabo, ich fürchte, wir haben unseren Kampf allein auszufechten, wenn wir in diesem Land je allein die Zügel führen wollen.«
    Guerrero sagte so lange nichts, dass Benito schon hoffte, er sei eingeschlafen. »Hast recht«, murmelte er dann aber noch einmal. »Capitán – darf ich morgen mit nach Zitacuaro?«
    »Ja, auch wenn ich nicht froh darüber bin. Bei solchen Einsätzen muss ich Familienväter als Erste schonen. Gute Nacht, Cabo.«
    »Gute Nacht, Capitán. Wenn ich respektlos zu dir war, tut’s mir leid. Ich hab’s nicht anders gelernt.«
    »Das macht ja nichts«, erwiderte Benito. »Ich habe einen Magen aus Eisen.«
     
    Anderntags ritten sie aus der Dunkelheit der Nacht ins Wachsen des Frühlingstages, die erwachenden Düfte, Vogelschreie, das Falterrauschen und das Licht. Benito ritt mit Romero vorneweg, und die zehn ausgewählten Männer ritten hinterdrein. Die Talkette, die sie durchquerten, schlängelte sich zwischen bewaldeten Steilhängen und blauvioletten Gipfeln hindurch der Stadt Zitacuaro entgegen. Vor den schweigenden, menschenleeren Höhen hallte ihr Hufschlag. Erst nach zwei Stunden tauchten die ersten verstreuten Ranchos auf und verrieten, dass die Stadt nicht mehr weit war.
    Romero ließ seinem Pferd die Zügel schießen und reckte die Glieder. Hätte Benito dasselbe getan, wäre sein Vollblut, das den Rausch der Geschwindigkeit liebte, dem Trupp davongaloppiert. Der Kommandant tippte ihm mit der Peitsche auf die Schulter. »Hör mal zu, Brauner. Wenn wir gleich nach Zitacuaro kommen, trennen wir uns. Du ziehst mit fünf Mann auf den östlichen Pass, und ich schleich mich mit dem Rest von Westen aus in Richtung Tal. Machen wir eine Wette draus? Wenn du die Rothosen zuerst zu sehen kriegst, darfst du auf deine Hochzeit. Wenn nicht, flüsterst du mir ein paar Kleinigkeiten aus deinem Leben ins Ohr. Nach Sonnenuntergang treffen wir uns hinter der Schneise und halten ein hübsches Biwak, einverstanden?« Mit der Peitsche wies er den Hang hinauf, wo der Verlauf des Waldsaums eine Art Delta bildete.
    »Dass ich nicht einverstanden bin, spielt zweifellos keine Rolle.«
    »Du sagst es«, stimmte Romero zu. »Ich will was tun, was ich noch nie getan habe, Brauner. Dir ein Kompliment machen. Was sagst du dazu?«
    »Wenn Sie sonst keine Beschäftigung haben – nur zu.« Benito blickte weiter geradeaus, das Stück Ebene und den ruhigen Fluss entlang.
    »Du hast Mut«, sagte Romero. »Die meisten glauben, Mut ist was für Selbstmörder. Ich auch. Daheim bin ich ein verdammter Habenichts wie alle verdammten Mexikaner, hänge an einer Frau, die mir Hörner aufsetzt, und füttere einen Haufen Kinder, von denen ich nicht weiß, welcher Kuckuck sie mir ins Nest gepflanzt hat. Warum soll ich mir also nicht für Juárez den Schädel einrennen? Wenigstens hab ich dann meinen Spaß gehabt. Du dagegen hast den Mut von einem, der überleben will.«
    Zwischen den Ohren des Pferdes hindurch sah Benito auf die Nesselminze am Wegsaum, die bald magentarot blühen würde, und auf die mondgelben Seerosen über dem spiegelnden Wasser. »Ja, das will ich«, sagte er. »Und die, die da hinter uns reiten, wollen es auch. Hören Sie, Señor Comandante, warum lassen Sie uns nicht alle auf dem Pass im Osten überleben, und Sie begehen allein im Westen Selbstmord? So hat ein jeder, was er will.«
    »Dich hätte mal einer an den Füßen aufhängen und in der Sonne trocknen lassen sollen, was? Weißt du, dass du mir Spaß machst? Weißt du, dass es sterbenslangweilig ist, wenn einen keiner mehr herausfordert?«
    »Ich melde mich freiwillig«, sagte Benito. »Sie brauchen nicht die Österreicher dazu.«
    Romero grinste aus seinen Massen von Barthaar. Da er an Benito nicht herankam, drosch er dessen Pferd auf die Schulter, das scheute und stieg. Benito zügelte die Stute, beugte sich auf ihren Hals und beruhigte sie.
    »Bisschen sprunghaft, die Muchacha«, brummte Romero. »Aber ein Bild von einem Biest, ohne Frage. Wie war noch mal das komische Wort, bei dem du’s rufst.«
    »Ichtaca.«
    »Und so was findest du schön?«
    Benito sah über den

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