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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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Guerilla – ein Feld, auf dem er sich zu Hause fühlte.
    »Zunächst werden wir die Nachricht verbreiten, Juárez sei nach Nordamerika ins Exil gegangen. Gleichzeitig werde ich ein Dekret erlassen, das meine Kommandanten mit mehr Vollmachten ausstattet: Da mit der Flucht des Juárez der Krieg entschieden ist, erkläre ich jeglichen Angriff der Guerilla zum Verbrechen. Damit brauchen Sie kein Kriegsgericht und keine Gegenzeichnung durch den Kaiserhof mehr. Das Urteil über Gefangene liegt fortan allein in Ihrem Ermessen.«
    Mit leisem Seufzen zog der Kaiser sich den Sombrero vom Kopf und betupfte sich mit einem Tuch die Stirn. »Sie kennen mich, Gruber«, sagte er dann. »Sie wissen, wie schwer Ihrem Kaiser, der mit reiner Menschenliebe regieren wollte, ein solcher Schritt fällt. Es scheint jedoch unumgänglich, dass wir deutlich machen, wer die Macht im Lande hält, und wenn wir das neue Instrument nicht missbrauchen, mag es sein Gutes tun. Richten Sie mit harter Hand, aber verhängen Sie, wo Sie nicht gezwungen sind, keinen Tod, darum bitte ich. Zugleich werde ich einen Erlass ausfertigen, der die Züchtigung und Unterbezahlung indianischer Arbeiter untersagt und damit unsere eigentliche Haltung deutlich macht. Vielleicht gelingt es uns ja doch noch, die große Masse unseres Volkes auf unsere Seite herüberzuretten – an gutem Willen von unserer Seite soll es jedenfalls nicht fehlen.«
    Wie klug erdacht war das. Und wie viel Überwindung es dem liberalen Herrscher abverlangte. Wieder einmal konnte Valentin nicht anders, als den Mut und die Opferbereitschaft seines Kaisers zutiefst zu bewundern.
    »Ihr Gesicht gleicht einem offenen Buch«, sagte dieser. »Mir scheint, dass unser Plan auf Ihre Zustimmung stößt.«
    »Das tut er bar jeden Zweifels, Majestät.«
    Der Kaiser zügelte sein Pferd vor einem tief hängenden Zweig. Valentin beeilte sich, den Goldfuchs ebenfalls zum Stehen zu bringen. »Ihnen ist klar, dass ich Sie dazu bei besten Kräften brauche, nicht wahr?« Maximilian sah ihn prüfend an. »Nicht als Nervenbündel wie während der vergangenen Wochen. Heraus mit der Sprache! Sie sind Tiroler, Gruber, Sie sollten Ihr Herz auf der Zunge tragen wie Ihre Hirten, wenn sie von Gipfel zu Gipfel singen.«
    Zwischen den Zweigen hindurch konnte man bereits in die Ebene blicken, die sich schier endlos erstreckte, der See darin wie eine dem Himmel entrissene Wolke. Weit war dieses Land, weit und unergründlich wie die Seele einer Frau, und bei den Worten des Kaisers erfasste Valentin eine Sehnsucht nach seiner Heimat, die er nie für möglich gehalten hätte. Liebte er nicht das gewaltige Mexiko? War er nicht hergekommen, um sich ihm ganz zu geben? Jetzt aber hätte er es hingeschenkt für die Fichten und Föhren auf sanft gerundeten Hügelkuppen und für die Gipfel der Plose, die klar und friedvoll in den Himmel schnitten. Wo war die Beschaulichkeit, der Gleichklang der Dörfer von Tirol? Zum ersten Mal stellte sich ihm die Frage, ob er das Tal des Eisacks je wiedersehen werde, und erschrocken erstickte er sie.
    »Sie wären nicht der erste Offizier, dem ich zu Mitteln verhelfe, um hier in Mexiko seinen Hausstand zu gründen«, vernahm er die Stimme seines Kaisers. »Sie wissen, um die Staatsfinanzen ist es übel bestellt, doch spare ich nicht gern am falschen Platz. Meine Männer sollen bekommen, was sie wert sind, und eine Heiratserlaubnis ist schnell erteilt.«
    Im ersten Moment wusste Valentin nicht, wovon der Kaiser sprach. Von Veronika? Noch immer von Tirol? Dann begriff er, und Angst packte ihn. Die Vorstellung, Katharina zu heiraten, sich ihr ohne Fluchtweg auszuliefern, war so furchterregend, dass ihm ein »O nein, beim Herrgott!« entfuhr. Mühsam besann er sich. »Ich bitte Majestät um Vergebung. Wenn es gestattet ist, ziehe ich es vor, mich den drängenden Aufgaben zu widmen und erst nachher an den Bund der Ehe zu denken.«
    »Wie Sie meinen, Gruber. Ganz, wie Sie meinen.«
    »Ein Quartier allerdings …«
    »Ein Quartier? Ich höre.«
    »Es widerstrebt mir, darum zu bitten, und doch wäre ich zu tiefstem Dank verpflichtet, wenn Majestät mir mit einem Quartier für Fräulein Lutenburg aus der Verlegenheit helfen könnten. In dem Hotel, in dem sie derzeit untergebracht ist, kann sie nicht bleiben, da dort anarchistische Umtriebe herrschen. Und sie in einer Wohnung in der Stadt zu etablieren, würde bedeuten, dass sie auf sich allein gestellt wäre.«
    »Und kompromittiert«, ergänzte der Kaiser

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