Im Land der gefiederten Schlange
können. Tag und Nacht kreisten seine Gedanken um
sie.
Um das, was geschehen mochte, während er nicht bei ihr war.
Nach dem Eklat auf der Hochzeit hatte er sie vor die Entscheidung gestellt: Entweder du trennst dich von diesen Menschen, oder ich trenne mich von dir. Noch während er die Forderung ausgesprochen hatte, war ihm die Kehle eng geworden. Wenn sie die anderen wählte, wenn sie sich gegen ihn entschied, wie sollte er sein Leben weiterführen?
Sie hatte sich für ihn entschieden. Bereitwillig, geradezu unterwürfig, wie er es nicht von ihr kannte. Aus dem Palais der Dämonin war sie ausgezogen, und er hatte sie in einer Suite im Hotel Iturbide einquartiert. Die Miete überforderte seine Finanzen. Viel schlimmer aber war, dass er sie dort nicht unter Kontrolle hatte, dass sie besuchen konnte, wer immer es wollte. Hatte Valentin seine Befürchtungen anfangs verdrängen können, so kreisten sie ihm bald wie Krähenvögel im Kopf herum und gaukelten ihm Bilder vor, die ihn folterten. Dabei waren die Zeiten hart und sorgenreich genug. Nur Tage nach der niederschmetternden Nachricht von der Niederlage der Konföderierten war eine nicht minder herbe eingetroffen. Abraham Lincoln, der Präsident der Union, war in seiner Theaterloge von einem Attentäter erschossen worden. Zwar war Valentin alles andere als ein Freund von Lincolns Politik, doch in der Mexiko-Frage hatte er immerhin Neutralität bewahrt. Was hingegen von seinem Nachfolger, Johnson, zu erwarten war, wusste niemand. Würden seine Truppen den Rio Grande überschreiten, würde er dem Verbrecher Juárez Schützenhilfe leisten? Und zu alldem – wenn Lincoln Opfer eines Attentäters werden konnte, in welcher Gefahr schwebte dann der Kaiser? Maximilian war kein Freund des Theaters, doch zuweilen war ein Besuch unumgänglich. Sooft wie möglich begleitete Valentin ihn mit Katharina, als könnte er das Entsetzliche verhindern, wenn er nur in der Nähe war.
Valentin schlief schlecht. Seine Nächte waren zerquält von Träumen, in denen der hochgewachsene Indio einmal seinen Kaiser erschoss und sich ein andermal die Kleider vom Leib riss und sich wie ein dunkler Pfeil auf Katharina stürzte. Als er wieder nach Michoacán versetzt wurde, weil die Gewalt der Guerilla neu aufflammte, war er froh. Mit Romeros Ergreifung hatten sie dem Gegner die Schlagkraft genommen, und ein leichter, glanzvoller Sieg war gerade das, was seine überreizten Nerven brauchten.
Bekommen hatte er eine Niederlage, die ihn schmerzlicher traf als Solferino – dreißig Stunden Schlacht um die Stadt Uruapan, die Leichen seiner Männer unter Avocadobäumen und ein zäher Fluss, dessen Wasser sich rot färbte. Die Guerillas hatten die Stadt eingenommen, den Bürgermeister vor ihr Kriegsgericht gestellt und erschossen. Einer ihrer Führer, darauf hätte Valentin bei seiner Ehre geschworen, war der glutäugige Indio, für den Katharina ihn belogen hatte.
Valentin war von Frauen erzogen worden. Der Respekt vor Frauen war Teil seines Wesens, und er empfand es als unter seiner Würde, eine Frau zu schlagen. Dennoch ertappte er sich bei dem Wunsch, Katharina zu schlagen, bis sie ihm verriet, was sie mit dem Pferdeknecht ihres Vaters verband. Er verlor den Verstand. Er musste handeln. Um das Maß vollzumachen, tauchte wenige Tage nach seiner Rückkehr aus Michoacán in der Lobby des Iturbide eine abscheuliche Schandschrift auf:
»Wacht auf, Mexikaner! Befreit euch mit einem Schlag von dem Österreicher, dem Idioten Maximilian!«
Damit stand fest, was Valentin seit langem gespürt hatte. Das Hotel war eine geheime Hochburg liberaler Zersetzung – wobei es in der Tat schmerzlich war, den Liberalismus als Feind zu betrachten. Hatte er nicht den Kaiser Franz Joseph insgeheim verachtet, weil dessen konservativer Geist das Reich in Staub und alten Zöpfen erstickte? Seine Liebe zu Maximilian war nicht zuletzt der Bewunderung für seinen freien Sinn und seinen Mut zur Neuerung entsprungen. Er und sein Kaiser wussten doch, dass konservatives Gedankengut einer Zeit angehörte, die zum Untergang verurteilt war.
Diese Juáristas sind ja gar nicht wirklich liberal, versuchte er sich zu beschwichtigen. Sie wollten das Land keiner Morgenröte entgegenführen, sondern es in einen Abgrund des Chaos stürzen, und so oder so, Katharina durfte dort nicht bleiben. Am Ende würde sie sich in Dinge ziehen lassen, die er ihr nicht vergeben konnte. Als Maximilian ihn nach Chapultepec rief, fasste er sich ein
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