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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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aufgekrempelten Ärmeln Teig. Die Köchin hatte ihre Herrin kommen hören, aber sie drehte sich nicht um. »Sie haben wegen des Desserts keinen Wunsch geäußert«, sagte sie, ohne das Kneten zu unterbrechen. »Also dachte ich, ich mache einen Birnenstrudel, so feines Obst bekommt man ja nicht oft, und das kleine Fräulein freut sich.«
    »Wo ist sie?«, entfuhr es Marthe, die sich im Raum umsah, als hätte Sanne Katharina irgendwo versteckt.
    »Wer?«
    »Meine Tochter.«
    Die Hände der Köchin hielten in der Teigmasse inne. Mit der ihr eigenen Langsamkeit wandte sie sich um. »Das Fräulein Katharina? Ja, sollte sie denn nicht mit der Lise für die Musikstunde üben?«
    »Sie ist weg!« Marthe erschrak vor ihrer eigenen Stimme. Die Erinnerung an einen anderen Tag lag darin, an ein Entsetzen, das doch heute nicht angemessen war.
    »Ich will sie nicht anschwärzen«, brummte die Sanne. »Unser Fräulein ist ein gutes Kind, aber mich tät’s nicht wundern, wenn sie bei dem Bengel im Stall stecken würde. Der hat was an sich, was Unheimliches, damit lockt er sie zu sich. Wär’s meine Sache, ich tät ihn hochkant aus dem Haus werfen.«
    Dasselbe hätte Marthe gern getan, schon seit dem Tag, an dem der Junge und sein Bruder in ihr Haus gekommen waren, doch sooft sie Peter darum bat, wies er sie ab.
    »Mir wird er zu lang, um ihn durchzuprügeln«, schimpfte die Sanne. »Neulich sollte er ein Huhn schlachten und hat sich stattdessen aus dem Staub gemacht. Ich habe ihn mit dem Riemen verdroschen, bis mir die Luft ausging, aber glauben Sie, der hat einen Laut von sich gegeben? Über meine Senge lacht der doch – da muss der Herr ran, wenn Sie mich fragen.«
    »Aber ich frage dich nicht!«, herrschte Marthe sie an. Peter strafte den Jungen nie, und sie selbst tat es auch nicht. Obwohl sie ihn totschlagen wollte, wann immer sie ihn mit Katharina sah, brachte sie es nicht über sich, Hand an ihn zu legen. Seine Schläge bezog er von der Sanne, und in der Tat, er war zu abgestumpft, um dabei Schmerz zu spüren. »Entschuldige«, murmelte Marthe. »Ich bin ein wenig überreizt. Komm, gehen wir im Stall nach Katharina suchen.«
    »Ich soll mit Ihnen in den Stall?« Die Augen der Köchin wurden noch weiter. »Aber ich muss doch den Strudel …«
    »Lass in drei Teufels Namen den verdammten Strudel!«
    Wenn es die Sanne überraschte, dass ihre Herrin wie einer der Bierkutscher fluchte, so ließ sie sich nichts davon anmerken, sondern wischte sich die Hände an der Schürze ab und verließ hinter Marthe das Haus. Natürlich hatte sie recht – dass sie mit auf die Suche kam, war sinnlos, aber Marthe wollte um keinen Preis allein gehen. Nicht noch einmal, zischte etwas in ihr. Nicht noch einmal.
    Unterwegs wurde ihre Angst zur Wut. Nicht nur der Junge, auch die Lise verdiente Prügel. Wie konnte sie es wagen, Marthes Kind aus den Augen zu lassen? Beim ersten Schritt in den Stall wurde ihr klar, dass hier nur Gäule gleichgültig vor sich hin mümmelten. Die Wut zerschmolz und wurde wieder zur Angst, die sich wie eine Faust aus Eis um ihre Kehle schloss.
    Im Handumdrehen hatten sie und die Sanne das Haus vom Keller bis zum Boden durchsucht. Auch im Garten oder in einem der Nebengebäude war Katharina nicht aufzufinden, wie vom Erdboden verschluckt war sie, und die ganze Zeit über hallte durch Marthes Schädel eine immer gleiche Folge von Worten: Nicht noch einmal! Mein Gott, um alles in der Welt nicht noch einmal.
    Das graue Haar der Sanne hing verschwitzt aus der Haube, und die beleibte Frau hatte Mühe, zu Atem zu kommen, doch sie ließ ihre Herrin nicht allein. An Marthes Seite rannte sie hinüber zu den Häusern der Verwandten, in der vergeblichen Hoffnung, das Mädchen sei ohne Wissen der Kinderfrau zu Inga, Dörte oder Traude gelaufen. Natürlich hatte sie das nicht getan. Die behäbige Dörte versuchte sie zu beruhigen, Katharina sei eben ein Wildfang, sie sei sicher losgezogen, um sich Naschkram zu kaufen.
    »Um sich Naschkram zu kaufen?«, schrie Marthe. »Meine Kathi, die daheim so viel Naschkram hat, wie sie will, und die den ganzen Tag unter Aufsicht steht?«
    »Die Krabben kannst du nicht unter Aufsicht stellen«, bemerkte Hille, die nicht bei Verstand war, aber trotzdem zu allem und jedem ihren Senf geben musste. »Die entschlüpfen wie junge Aale, so will’s die Natur, und wenn du mehr als nur das eine hättest, wüsstest du das.«
    Es war abscheulich, so etwas zu sagen, aber Marthe hatte weder Zeit noch Kraft,

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