Im Land der gefiederten Schlange
erklärte er, etwas, das nicht sein Vater, sondern er geschaffen habe. Da er Streit am liebsten aus dem Weg ging, redete er einfach nicht länger darüber, sondern begann mit der Arbeit. Zähneknirschend musste Marthe ihn gewähren lassen.
Wie er vorausgesagt hatte, lief die Sache glänzend. Die Einwanderer stürzten sich auf das entbehrte Getränk, und die Mexikaner verfielen der Sucht und verpulverten die letzten Pesos für Bier. Peter hätte es sich leisten können, einen Geschäftsführer einzustellen, aber die Brauerei blieb sein Steckenpferd, um das er sich selbst kümmern wollte.
Marthe seufzte, räumte die Stickarbeit, mit der sie für heute weit genug gekommen war, in den Korb und stand auf. Es ärgerte sie, wenn Peter zu spät kam. Sie legte Wert auf regelmäßige Mahlzeiten, zu denen der Hausherr das Tischgebet sprach. Da er aber ohnehin nicht da war – warum ging sie nicht hinauf zu Katharina, gab Lise den Abend frei und gönnte sich eine kostbare Stunde mit der Tochter? Sie würde sie fragen, wie sie den Tag verbracht hatte und was es in ihrem kleinen heilen Leben Neues gab. War Peter dann noch immer nicht daheim, würde sie ihn holen. Das Gelände der Brauerei befand sich nur ein paar Schritte vom Rand der Siedlung entfernt. Sie würde zurück sein, ehe der Regen einsetzte.
Katharinas Zimmer lag im hinteren Teil des Hauses, gleich unter dem Dach, und es besaß ein Erkerfenster in den Hof. Es war schön, dort oben mit dem Kind zu sitzen und hinaus in den Hof zu sehen, in dem es keine fremdländische Pflanze gab. Praktisch, wie sie war, hatte Marthe zu den Rosen und Sommerastern deutsche Beerensträucher pflanzen lassen, die zwar nicht sonderlich dekorativ aussahen, aber ihr und der Sanne Früchte für Holundergelee, Wacholderlikör und Fruchtgrütze lieferten. Wenn sie und Kathi zwischen den Spitzenvorhängen hindurchblickten und dabei das Fenster geschlossen ließen, damit kein Summen und Zirpen eindrang, konnte sie sich einbilden, sie wären daheim.
Ich muss mir öfter Zeit dafür nehmen, dachte Marthe, während sie in dem stillen Haus die Treppe hinaufstieg. Meine Tischwäsche läuft mir nicht weg, doch die Jahre mit Katharina tun es. Sie hatte sich das schon oft vorgenommen, um dann doch wieder der Arbeit den Vorzug zu geben, weil sie so erzogen worden war. Eine gute Frau tat ihre Arbeit, das war das Rückgrat der Familie. In ein Haus, in dem auf allen Tischen bestickte Läufer lagen, in dem Geschirr und Silber poliert in Schränken ruhten und Eingewecktes die Vorratskammern füllte, drang das Böse nicht ein.
Wäre es in unser Haus nicht eingedrungen, wenn ich damals achtgegeben und meine Arbeit getan hätte, statt nach den Sternen zu greifen, nach mehr Glück, als mir zustand?
Marthe legte ihr Ohr an Katharinas Tür. Es war nicht ihre Art zu lauschen, aber das Mädchen, obwohl es ständig plapperte, erschien ihr oft seltsam verschlossen, und manchmal fragte sie sich: Was weiß ich eigentlich von ihr? Natürlich war das Unsinn, denn was gab es von Katharina schon zu wissen, von einem behüteten Kind, das keine Geheimnisse hatte?
Aus dem Zimmer drang kein Laut, weder die Stimme des Kindes noch die der Lise. Ohne anzuklopfen riss Marthe die Tür auf. Vor ihr, im Halbdunkel, lag das Zimmer so ordentlich aufgeräumt, als hätte Katharina es an diesem Nachmittag noch nicht betreten. Lediglich der Deckel des Cembalos war aufgeklappt – Marthe hatte vorhin die Lise angewiesen, darauf zu achten, dass Katharina übte. Sie legte bei der Musik leider gar keinen Eifer an den Tag. Die blasse Josephine, die kein eigenes Instrument besaß, sondern hierher zum Üben kam, hatte sie längst überflügelt.
Aber das war im Augenblick gleichgültig. Wo konnte Katharina sein? Wäre sie zu einer der Tanten gegangen, um mit den Basen zu spielen, hätte Lise Marthe Bescheid gesagt. Gewiss war sie hinunter ins Souterrain gelaufen, in den Küchentrakt, um der Sanne etwas Süßes abzuschwatzen. Katharina war noch immer so versessen auf Süßes wie als kleines Kind, und die strenge Köchin war Wachs in ihren Händen. Ja, in der Küche war sie sicher – nur, wo war die Lise abgeblieben? Marthe eilte die Stufen hinunter. Unerklärliche Furcht hatte sie gepackt, wie es ihr von Zeit zu Zeit geschah, ohne dass sie sich dagegen wehren konnte.
In der Küche war es warm und hell, es roch nach Kindheit und Geborgenheit. Vor dem Werktisch stand die Sanne, deren breiter Rücken Vertrauen einflößte, und knetete mit
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