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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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Generäle mit uns machen, wenn sie uns verwundet erwischen?«, fuhr er auf. »Vielleicht zusammenflicken? Wir sind im Krieg, Mädchen, begreif das endlich. Krieg heißt, dass der Stärkere den Schwächeren tötet, wie beim Stierkampf, das ist kein Spiel.«
    Er war vom Stuhl aufgesprungen, doch ein jäher Schmerz zwang ihn zurück. Unwillkürlich fiel ihr Blick auf sein verletztes Auge, das sie nicht ansehen konnte, ohne zu schaudern. »Die, die dich überfallen haben, Valentin – warum haben die dich nicht getötet?«
    »Woher soll ich das wissen? Wohl weil es dreckige Banditen waren, die keinen Mumm hatten, die Sache zu Ende zu bringen.«
    »Also waren es Räuber, keine Juárista?«
    »Zur Hölle, was weiß denn ich? Diese Banditen und Räuber sind doch alle Juárista. Was macht das für einen Unterschied?«
    Dass es ihm widerstrebte, über den Überfall zu sprechen, entging ihr nicht, aber sie musste wissen, was geschehen war. Anders würde sie ihrer Angst nicht Herr werden, wenn er wieder fort war.
    Nur weil sie keine Ruhe gab, erzählte er ihr schließlich, wie sich die Sache zugetragen hatte. Er hatte ein Gemenge vor dem Deutschen Haus auflösen lassen, in das seine Männer geraten waren, weil man ihnen den Zutritt zu einem Tanznachmittag verweigert hatte. »Es ist eine Schande«, ereiferte er sich. »Ich wollte, man könnte diesen Deutschen einbleuen, dass meine Leute ihr Leben riskieren, um sie vor dem Rückfall in die Anarchie zu schützen.«
    »Bitte sprich von dem Überfall«, bat sie ihn, weil sie ans Deutsche Haus nicht denken mochte.
    »Warum machst du so einen Wirbel darum? Ich wollte kurz Atem schöpfen und bin ein Stück durch den Park hinter dem Haus gegangen. Die Kerle sind aus einem Gebüsch gesprungen, und ehe ich meinen Säbel ziehen konnte, hatten sie mich mit ihren Knüppeln zu Boden geschlagen.«
    Er weigerte sich, Einzelheiten preiszugeben, und sie wollte ihn nicht quälen. Tatsächlich mochte es sich um gewöhnliche Diebe handeln, wie sie sich überall herumtrieben. Merkwürdig war nur, dass sie einen bewaffneten Offizier als Opfer wählten und dass Valentin auf die Frage, was sie geraubt hatten, keine Antwort wusste. Eine Patrouille zu Pferd hatte die Kerle in die Flucht geschlagen.
    »Hast du ihre Gesichter gesehen? Kannst du sie beschreiben?«
    »Maria und Josef, warum hörst du nicht damit auf?«
    »Versuch sie zu beschreiben«, bat sie. »Dann höre ich auf, ich verspreche es dir.«
    »Ich habe nicht darauf geachtet«, knurrte er. »Drei lange Kerle eben, Tücher über den Mündern, dunkle Kleidung.«
    »Und die Haarfarbe?«
    Er stockte. Sah sie an. »Weshalb fragst du mich das?«
    »Ich weiß es selbst nicht, Liebster. Bitte antworte mir.«
    »Sie waren blond«, sagte er.
     
    Seine Vorgesetzten wollten den Vorfall vertuschen, weil man annahm, dass die Angreifer dem Deutschen Haus angehörten. Es konnte der Moral der Männer schaden, wenn laut wurde, dass die Europäer, die ihre Sprache und Kultur teilten, sich gegen sie stellten. Katharina jedoch war bei dem Gespräch so kalt geworden, dass ihr die dünne Pelerine nichts nützte. Sie kannte die Leute, die im Deutschen Haus verkehrten. Sie mochten gegen alles, was nicht deutsch und protestantisch war, hetzen, nach Art von Onkel Fiete dröhnende Kanzelreden schwingen, aber sie versteckten sich nicht in Gebüschen und schlugen Offiziere zusammen. Katharina wusste niemanden, der so weit gegangen wäre, niemanden, der sich so blindwütig allem Fremden verschloss, dass er mit Knüppeln auf Wehrlose eindrosch.
    Doch, vernahm sie die Stimme in ihrem Kopf, solche Menschen kennst du. Dich zu betrügen ist sinnlos.
    Jäh sprang sie auf, lief zu Valentin und zog ihn an sich, darauf bedacht, die schmerzenden Wunden nicht zu streifen. »Dir wird niemand mehr weh tun, mein Liebster. Das schwöre ich.«
    Ärgerlich machte er sich frei. »Sehe ich aus, als bräuchte ich den Schutz einer Frau?«
    Du siehst aus, als bräuchtest du meinen Schutz, dachte sie. Das hast du immer getan. Und dafür liebe ich dich.
    »Ich sage es dir noch einmal: Wir sind im Krieg, verflucht, im Krieg! Mexikaner mögen ihre Weiber hinter Kanonen herschleppen, damit sie sich in deren Röcken ausflennen können, aber in meinem Land kennt man solche Sitten nicht. Eine Tirolerin käme nicht auf die Idee, ihren Mann, der für seine Sache kämpft, zu schützen. Sie wäre stolz auf ihn, verstehst du? Stolz!«
    Sie hätte ihm gern gesagt, dass sie stolz auf ihn war, aber sie brachte

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