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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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es nicht über die Lippen. Stattdessen liebte sie ihn in der Nacht so innig, wie seine Wunden es erlaubten, und weinte, ehe sie ihn am Morgen ziehen ließ. Dass sie weinte, mochte er gern. Dann war er fort, und sie hatte von neuem zu viel Zeit zum Denken. Diesmal aber galt ihr Denken den Menschen, die in einem verbauten Patiohaus an der Calle San Jorge wohnten und sich ihre Familie nannten.
     
    Marthe hatte geschlafen. Am Morgen war wieder der Arzt da gewesen, für den Christoph sich Geld von Claudius von Schweinitz borgte, und wie schon so oft hatte er nichts finden können, das Marthe fehlte. Sie wurde einfach immer schwächer, hatte sich an einem Abend in ihr Bett gelegt und hatte am Morgen nicht mehr die Kraft besessen, aufzustehen. Sie, Marthe Hartmann, die Starke, Unerschütterliche, von der es schon als Kind geheißen hatte: Von den zwei Schwestern ist die eine ein Reh und die andere ein Gaul. Die Marthe wird nicht krank.
    Sie war ja auch nicht krank. Sie hatte nur keinen Grund mehr, stark zu sein und dem Leben die Stirn zu bieten. Ihr kräftiger Körper, der nie einem Mann gefallen, aber immer seinen Mann gestanden hatte, war mit noch nicht sechzig Jahren zusammengesackt wie ein Bündel Lumpen, weil niemand seine Kraft mehr brauchte. Ehe Helene nach Hamburg aufgebrochen war, hatte sie sie gebeten, die alte Sanne mitzunehmen. Die Köchin war in ihren Dienst getreten, als Kathi ein Häuflein Elend gewesen war, dem jemand Milch einflößen musste, ehe es hungers starb. Die Sanne hatte das geschafft – und sie war geblieben, auch als die Lutenburgs ihr keinen Peso mehr zahlen konnten. Die Hoffnung, ihr geliebtes »Fräulein« käme zurück und sie könne für ihre Kinder Wecken backen, hatte sie nie aufgegeben. Letzten Endes aber hatte sie sich Marthes Wunsch gefügt und war gegangen, um von nun an Hanne und Grete mit ihrem Naschwerk zu füttern. Damit war der letzte Mensch fort, für den Marthe sich verantwortlich fühlte. Sie durfte liegen bleiben.
    Dass die anderen nicht ebenfalls liegen blieben, verstand sie nicht. Mit der zerrupften kleinen Felice hatte das letzte Kind die Familie verlassen – wofür lohnte sich da noch die Plage?
    Natürlich wusste der Arzt von alldem nichts, weswegen Christophs Geld an ihn verschwendet war. Aber was machte das schon aus? Das Vermögen, das sie Claudius von Schweinitz schuldeten, würden sie ohnehin nie zurückzahlen können, und offenbar legte der Baron, der ins Bankgeschäft eingestiegen war, darauf auch keinen Wert. Wenigstens hatte der Arzt, der wie üblich verkündete, die Patientin brauche Ruhe, ihr etwas zum Schlafen verschrieben. Schlaf war Segen, und ihn zu erlangen fiel schwer. Wütend versuchte sie aufzublicken, um zu erkennen, wer sie mit seinem Kommen geweckt hatte.
    Dörte tat es manchmal, um ihr Essen zu bringen, oder Juliane, die von irgendwem geschickt wurde. Christoph oder Stefan mit ihren törichten Fragen: Fühlst du dich besser, Marthe? Hast du gut geschlafen? Können wir etwas für dich tun?
    Warum ließen sie sie nicht alle in Ruhe? Helfen konnten sie ihr nicht, sowenig wie Marthe ihnen helfen konnte. Der Mann, der das Zimmer betreten hatte, zog die Tür hinter sich zu. Marthe blinzelte, um ihre Augen an das bisschen Licht, das durch die Ritzen des zerschlagenen Fensterladens drang, zu gewöhnen. Aber es gab kein Licht. Der Tag musste vorüber sein.
    »Du hast lange geschlafen«, sagte der Mann an der Tür. Es war Peter.
    »Darf ich das nicht? Weshalb solltest ausgerechnet du dich daran stören?«
    »Natürlich darfst du. Ich würde nur gern mit dir reden.«
    »Worüber?«
    »Über Katharina«, erwiderte er.
    Dass sie verstummte, war Antwort genug. Er zog einen Stuhl an ihr Bett, steckte jedoch keine Kerze an. »Ich muss dir etwas sagen, das dir weh tun wird. Die anderen wollen, dass ich es dir verschweige, weil du zu krank dafür bist, aber ich bin dazu nicht mehr bereit. Ein jeder von uns verschweigt dem anderen etwas, ein jeder glaubt, er täte es in bester Absicht, und was kommt am Ende heraus? Keiner hat mehr einen Menschen, dem er traut. Ich habe mir gesagt: Katharina ist unser Kind. Was dieses Kind betrifft, das wir zusammen aufgezogen haben, geht dich und mich etwas an, darauf haben du und ich ein Recht. Auch dann, wenn einer von uns daran stirbt.«
    Für den wortkargen Mann war das geradezu ein Redeschwall. Er überraschte Marthe umso mehr, als sie schon so lange kaum noch miteinander sprachen. »Was ist mit Katharina?«
    »Ich habe

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