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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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rannte den Weg hinunter, kämpfte blind gegen Übelkeit.
    Der Sepp stand am Tor. »Oberleutnant Gruber«, schnaufte er und wies nach dem Haus. Katharina rannte an ihm vorbei. Aus dem Haus trat einer der Offiziere aus Valentins Regiment – sie hätte ihn kennen sollen, aber sie konnte sich nie ihre Namen merken. Senkte er betreten den Kopf, überlegte er, wie er es ihr beibringen sollte?
    Ich halte es nicht aus. Ich nehme es nicht hin. War sie nicht bestraft genug? Hatte nicht das Schicksal in ihren Handel eingeschlagen – nimm mir alles, nur lass mir Valentin?
    »Es hat einen Überfall gegeben«, sagte der Offizier.
    Ein Laut entfuhr Katharina.
    Der Offizier wies nach der Haustür. »Oberleutnant Gruber wollte sofort auf seinen Posten zurückkehren, aber der Oberst hat angeordnet, er soll sich fünf Tage lang auskurieren. Zumindest bis das Sichtbarste verheilt ist. Wir wünschen Aufsehen um den Vorfall zu vermeiden, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Katharina hörte ihn schon nicht mehr, sondern stürzte ins Haus. Um ein Haar wäre sie mit den Trägern, die aufbrechen wollten, zusammengeprallt. »Der Arzt sieht morgen nach ihm«, rief ihr der eine noch zu, dann war sie bei Valentin. Er lag auf dem Bett, war bleich wie das Laken, und sie warf die Arme um ihn.
    Sein Stöhnen ließ sie zurückschrecken. Erst jetzt sah sie, was die Angreifer mit seinem schönen Gesicht getan hatten. Das rechte Auge war bis weit über die Braue verschwollen, die Wange abgeschürft, die Lippe aufgeplatzt. Um die Stirn wie um die linke Schulter trug er einen Verband. »Was haben die mit dir gemacht?«, rief sie. »Mein Liebster, was haben die mit dir gemacht?«
    »Frag lieber, wer«, presste er heraus, dann übermannte ihn der Schmerz. Er schloss das unverletzte Auge, stöhnte und erbleichte noch mehr. Sie wollte aufspringen, Wasser holen, irgendetwas tun, um ihm zu helfen, aber er griff nach ihrer Hand. »Bleib bei mir«, flüsterte er. »Geh nicht weg.«
    Katharina blieb sitzen. Später bat sie Rosa, ihr Wasser zu bringen, um seine Wunden zu kühlen, und flößte ihm zur Nacht ein wenig Portwein ein, damit er leichter schlief. Unentwegt liebkoste sie ihn und sprach zärtlich auf ihn ein. Um seinen Stolz zu schonen, stellte sie ihm keine Fragen, sondern strich erst, als er in unruhigen Schlaf gefallen war, das Betttuch von seinem Leib, um zu sehen, was er noch davongetragen hatte. Das linke Schienbein war blau verschwollen, doch, so weit sie es ertasten konnte, nicht gebrochen. Und noch eine Abschürfung befand sich über der Brust. Wie es aussah, hatten die Angreifer nicht vorgehabt, ihn zu töten – keine der Verletzungen stammte von einer Stichwaffe. Müde und vor Erleichterung schwach, legte sie sich zu ihm und lehnte ihr Gesicht an seine unverletzte Schulter. In dieser Nacht blieb sie von dem Traum verschont.
    Auf unwirkliche Weise war sie glücklich in den zwei Tagen, in denen sie Valentins Wunden pflegte, sicher sein konnte, dass ihm nichts Übles geschah, und ihn für sich hatte. Valentin war zäh und die Verletzung nicht schwer, aber er hatte seit Monaten Raubbau an seinem Körper betrieben und sich im Dienst für seinen Kaiser zermürbt. Es war auch Erschöpfung, die ihn niederstreckte und zwang, sich von ihr umsorgen zu lassen. Vom Palast traf ein Korb voller Delikatessen mit Maximilians Genesungswünschen ein. Am Morgen kamen der Arzt des Kaisers und Valentins Leutnant, um Bericht zu erstatten, in den übrigen Stunden aber waren sie ungestört.
    Am dritten Tag ging es ihm besser, und er bestand darauf, aufzustehen. Katharina ließ das Frühstück auf der Veranda servieren, obwohl es im Schatten der Zypressen so kühl war, dass sie sich ihre Pelerine umlegen musste. »Ich trete morgen wieder meinen Dienst an«, sagte er. »Weißt du, was Leutnant Wallner mir erzählt hat? Der Kaiser hat General Marquez aus dem Ausland zurückbeordert. Damit drehen wir den Spieß um – der Mann ist ein militärisches Genie. Nicht mehr lange, und wir treiben diesem Land den Teufel doch noch aus.«
    »Marquez? Den Tiger von Tacubaya?«, entfuhr es Katharina.
    »Warum nennst du ihn so?« Valentins unverletztes Auge wurde schmal. »Was weißt du von General Marquez?«
    Sie wollte ihm keine Antwort geben und hasste sich, weil sie es trotzdem tat. »Im Bürgerkrieg hat man ihn so genannt. Er hat einen Haufen wehrloser Verwundeter, Ärzte und Pfleger im Haus des Erzbischofs erschießen lassen.«
    »Und was glaubst du wohl, was Juárez’

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