Im Land der gefiederten Schlange
nicht aufgebracht.«
»Den Mann, der mehr Mut aufbringt, müssen Sie mir erst einmal zeigen«, sagte Benito. »Wenn wir nicht so dringend Leute bräuchten, die für Mexiko am Leben bleiben, würde ich Sie bitten, sich meiner Einheit anzuschließen. Was ist mit dir los, Martina? Wäre es nicht an der Zeit, uns irgendein Gift aus deinem Alkoholschrank aufzudrängen?«
»Den Wein habe ich leer getrunken«, murmelte Stefan entschuldigend.
»Das hätte ich an Ihrer Stelle auch«, sagte Benito und ging mit Martina nach drinnen, um Champagner und Gläser zu holen. Sie tranken auf die Liebe, auf Tomás und auf Mexiko. »Was ist, Benito«, fragte Felix, »gewinnen wir den Krieg?«
»Nicht heute«, sagte Benito. »Und morgen auch nicht. Noch sind die Franzosen nicht außer Land, und Maximilian hat den Tiger Marquez zurückgeholt. Aber ja. Wenn wir durchhalten, gewinnen wir wohl den Krieg. Bis dahin bleibt halbwegs vernünftig und gebt acht auf Katharina.«
»Trinkst du noch eins?«
Benito schüttelte den Kopf. »Ich muss gehen. Bitte sendet mir Nachricht.«
»In welches Regiment kommst du?«, fragte Martina.
»Porfirio Diaz«, erwiderte er. »Ich wäre dir dankbar, wenn du nicht die ganze Welt davon in Kenntnis setzen könntest.«
»Nur die halbe.« Sie tauchte einen Finger in Champagner und zeichnete ihm ein Kreuz auf die Stirn. »Mögen die Götter dich behüten und dich uns wiederbringen, damit du dem Kaiserjünger den Hals durchschneiden kannst.«
»Mit der Machete, ja?« Er küsste sie auf den Kopf. »Und gegen wen kämpfe ich dann um Katharina? Gegen einen toten Gott?«
Sie umarmten einander alle. Stefan bestand darauf, mit hinunter zu den Stallungen zu gehen, wo Benito sein prächtiges Pferd hatte. »Ich verspreche, ich lasse Ihnen wegen Kathi Nachricht zukommen«, sagte er.
»Danke. Versuchen Sie auch Ihre Familie vorzubereiten. Es mag klug sein, für eine Weile die Stadt zu verlassen. Die Menschen sind erregt, sie sehen nicht hin, bevor sie zuschlagen.«
»Es ist unglaublich, dass Sie sich um meine Familie sorgen. Ein anderer würde ihr das Schlimmste an den Hals wünschen.«
»Finden Sie nicht, Sie haben mich jetzt auf genug Sockel gestellt?«, fragte Benito müde, während er den Sattelgurt festzog. »Können Sie mir nicht zur Abwechslung einmal sagen, ich sei ein netter Kerl?«
»Sie sind ein verdammt netter Kerl«, sagte Stefan.
»Sie auch. Es wird jetzt ein Kabel gelegt zwischen Europa und uns. Damit dauern Nachrichten nur noch ein paar Tage.« Er setzte einen Fuß in den Steigbügel und saß auf. »Wenn Sie Herrn Temperley schreiben, müssen Sie ihn von mir grüßen.«
53
Kaiserin Charlotte war im Juli nach Europa gereist, um Louis Napoleon an den Vertrag von Miramar zu erinnern. »Vertrag von Miramar« gehörte zu den Worten, die Valentin neuerdings ohne Unterlass im Mund führte. »Es war ein historischer Augenblick. Ein heiliger Eid. Ewige Freundschaft hat er Max zugesichert, unterstützen wollte er ihn, bis seine Stellung gesichert sei. Und jetzt lässt er ihn fallen, in der Stunde höchster Not? Wie kann er so einfach ein Gelöbnis brechen, das ein Kaiser dem anderen gab?«
Katharina bemühte sich, seinen Gedanken zu folgen. Sie wollte die Sorgen begreifen, die ihn kaum noch aus den Klauen ließen. Immer häufiger aber stellte sie fest, wie fremd ihr die Gesetze und Gebräuche waren, die Europas Geschicke bestimmten. Dass der Kaiser der Franzosen seinen kostspieligen Truppeneinsatz in Mexiko beenden wollte, schien ihr einleuchtend. Der Kaiser sitzt mehr als zwei Jahre auf dem Thron, hätte sie zu Valentin sagen wollen. Wenn es ihm immer noch nicht möglich ist, sich allein zu halten – muss dann nicht ein Fehler in dem ganzen Unternehmen stecken?
Natürlich stellte sie Valentin solche Fragen nicht. Er hatte Kummer genug. Die Franzosen, die ihren Abzug vorbereiteten, weigerten sich, Chihuahua zurückzuerobern. Aus den mexikanischen Einheiten, die Valentin mit so viel Mühe aufgebaut hatte, desertierten die Männer in Scharen. In den wenigen Nächten, die er bei ihr verbrachte, brach die Verzweiflung aus ihm heraus. »Uns zerrinnt unser Lebenswerk unter den Händen!« Katharina hielt ihn in den Armen, wiegte ihn und wünschte sich sehnlichst, die brennenden Wunden, die seine Seele davontrug, heil zu lieben. »Kein übermächtiger Gegner zwingt uns in die Knie, sondern Verrat in unseren eigenen Reihen. Wie soll Max damit fertig werden – Max, der alles gegeben hat?«
Vom Kaiser sprach
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