Im Land der gefiederten Schlange
entschuldigen? »Was für einen Fürsprecher?«, fragte sie verstört.
Der Baron langte über den Tisch und nahm ihre Hand in seine. »Das wissen Sie, oder?«
»Nein!«, rief Katharina und schüttelte den Kopf. »Nein, nein, nein.« Du darfst nicht für mich sprechen, du darfst mir nicht verzeihen. Komm nie wieder in meine Nähe, verschwende nie wieder einen Gedanken an mich. Auf dem Tisch stand eine Karaffe mit Weißwein, aus der sie sich zerstreut das Glas füllte. Sie hatte es schon angesetzt, als ihr einfiel, wie unhöflich sie war.
Hastig wies sie auf die Karaffe, doch der Baron winkte ab. Vor ihr verschwamm sein Gesicht. Als ihr Blick sich wieder klärte, war in seinen Augen ein Lächeln. »Der junge Mann macht nicht den Eindruck, als ließe er sich das verbieten«, sagte er. »Nicht einmal von Ihnen. Bitte versuchen Sie sich nicht so sehr zu fürchten. Es ist gut, Freunde zu haben, Katharina, auch wenn man meint, dass sie auf der falschen Seite stehen. Irgendwann werden wir in unserem Mexiko ja wieder alle zusammengehen müssen – einerlei, auf welcher Seite wir standen.«
»Das ist es nicht«, sagte Katharina.
»Was ist es dann?«
»Ich habe solche Freunde nicht verdient.«
Noch immer lächelnd, nahm er ihr das Glas aus der Hand. Sie hatte es, ohne es zu bemerken, geleert. Ich muss aufhören so viel zu trinken. Es ist feige, und es macht mich krank. »Vielleicht sollten Sie die Entscheidung Ihren Freunden überlassen«, sagte Claudius von Schweinitz. »Und falls ich mich zu diesen selbst noch zählen darf, erlauben Sie mir die arrogante Bemerkung: Um so außerordentlich reizende Freunde zu haben, muss man ein außerordentlich reizender Mensch sein – oder wollen Sie etwa behaupten, wir hätten keinen Geschmack?«
Sie musste lachen. Wie lange war es her, dass sie mit jemandem gelacht hatte? Er drückte ihre Hand. Dann wurde er mit einem Schlag ernst. »Versprechen Sie mir eines, Katharina. Vergessen Sie nicht, dass man Freunde jederzeit um Hilfe bitten kann. Sie wissen, wo wir wohnen, Micaela und ich – wir sind ja sozusagen Nachbarn. Bitte scheuen Sie sich nicht, uns zu verständigen, wann immer Sie jemanden brauchen.«
»Wie meinen Sie das?« Seine Eindringlichkeit ließ sie schaudern.
»In jedem erdenklichen Sinn«, erwiderte er. »Im Augenblick aber vor allem auf das Drängendste bezogen: Es könnte ratsam werden, die Umgebung des Palastes und auch die Hauptstadt für eine Weile zu verlassen. Micaela und ich nähmen Sie gern mit auf unser Gut bei Tula – wie übrigens auch Felice und unseren Enkel, falls die Lage sich zuspitzt.«
»Aber das kann ich doch nicht«, rief Katharina. Aus dem Gartenhaus fliehen, um mit Martinas Eltern die Stadt zu verlassen? Wie schlimm konnte denn die Lage sich zuspitzen, damit das nötig wurde? Unvermittelt zogen Bilder von Veracruz vor ihr auf, die in Flammen stehenden Häuser, die unter Trümmern begrabenen Menschen. Im Glanz der Kronleuchter erschien das Szenario wie einem Alptraum entsprungen, erdacht von einem überreizten Geist. Und wenn es tatsächlich so kam? Wie könnte sie fliehen und Valentin zurücklassen? Ihr Herz krampfte sich zusammen. »Das kann ich nicht«, wiederholte sie.
Der Baron hob zu einer Entgegnung an, verstummte aber, als ein Mann an ihren Tisch trat. Katharina blickte auf und sah in das Gesicht des Kaisers. Seine Haut wirkte grau, das Weiß in seinen Augen gelblich. Valentin hatte recht, der Kampf um Mexiko zerrüttete ihm die Gesundheit. »Darf ich Ihnen Ihre Dame entführen, Herr Baron? Fräulein Lutenburg eilt ein großer Ruf als Habanera-Tänzerin voraus.«
Katharina hatte sich kaum von ihrem Platz erhoben, als die Musik einsetzte.
La Paloma.
Das Lied der Taube. Die Augen zu schließen half nichts gegen die Bilder. Zerfetzte Haut, rote Ströme. Braune Augen. Ein Rinnsal Blut auf zerbissenen Lippen. »Es ist mein Lieblingslied«, sagte der Kaiser und breitete ihr den Arm um die Taille.
Er hatte die Figuren des Tanzes offenbar mit Eifer einstudiert und auch gelernt, dass der Herr dabei die Hüften der Dame entgegenschwingen durfte, mehr noch, als es beim Walzer gestattet war. Etwas fehlte dennoch. Eine Habanera kann ein Schlaflied oder ein Liebesakt sein, durchfuhr es Katharina, der die Röte in die Wangen schoss. Es machte den Kaiser liebenswert, dass er es selbst bemerkte. »Manches lässt sich bei aller Mühe nicht lernen, nicht wahr?«, sagte er traurig.
Katharina fiel keine Erwiderung ein.
»Ich hoffe, ich habe Sie
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