Im Land der gefiederten Schlange
nicht gestört«, begann er von neuem. »Baron von Schweinitz ist ja ein sprühender Geist. Leider ließ sich sein Bankhaus für unseren Geschäftsvorschlag nicht erwärmen. Einem Kaiser mit leeren Taschen mag eben niemand mehr Kredit geben.« Bedauernd lächelte er. Sein Atem ging schwer, als würde der langsame Rhythmus ihm Mühe bereiten.
Schon wieder fiel Katharina nichts ein, das sie hätte sagen können. Das Lied von der Taube und die Bilder, die dazu im Kreis um sie wirbelten, verwirrten ihre Gedanken.
»Sie dürfen sich darüber jedoch keine Sorgen machen«, sprach der Kaiser weiter. »Meine Offiziere sind die Stützen meines Reiches. Für sie ist gesorgt und wird immer gesorgt sein. Darin vertrauen Sie doch Ihrem Kaiser, nicht wahr?«
»Gewiss, Majestät«, sagte Katharina und dachte: Wie kann dieser arme, kranke Mann mein Kaiser sein? Was hat er mit mir und meinem Land zu tun?
»Sie sind mir doch nicht böse, weil ich Ihren Valentin so oft von Ihnen fernhalte? Glauben Sie mir, wenn jemand weiß, wie sehr Sie an der Trennung leiden, dann ich. Das größte Opfer, das ich diesem Land erbracht habe, ist die Trennung von meiner Charlotte. Es tut mir im Herzen weh, Ihnen ähnlichen Schmerz zuzumuten, doch es soll Ihr Schaden nicht sein. Ich habe vor, Gruber demnächst erneut zu befördern. Er gehört zu meinen besten Leuten, und das nicht nur, weil er ein feiner Offizier und ein Muster an Tapferkeit ist.«
»Vielen Dank, Majestät«, murmelte Katharina und wünschte sich, das Lied nähme ein Ende.
»Sie sollen auch wissen, dass ich Eheschließungen meiner Offiziere hier in Mexiko stets wohlgesinnt bin«, fuhr er fort. »Wer heiratet, bleibt im Land, und wir sind gekommen, um zu bleiben. Natürlich hat Gruber starke Bindungen nach Tirol, doch für jeden von uns schlägt einmal die Stunde der Entscheidung. Denken Sie nur an all diese Schlangen und Schlangengötter in den Malereien der Azteken – das Grausen könnte einen packen, doch wissen Sie, was man mir erklärt hat? Die Schlange steht mitnichten für die durchtriebene Giftmörderin, die das alte Europa in ihr sieht. Sie steht für die Nabelschnur, die uns nährte und von der wir uns lösen müssen, um in unserem Leben voranzuschreiten.« Er machte eine kurze Atempause, ehe er in der Drehung ihren Blick suchte und hinzufügte: »Sie verzeihen mir doch, nicht wahr, Fräulein Lutenburg? Natürlich dürfte ich vor einer Dame derlei Dinge nicht zur Erwähnung bringen, aber es ist ein Teil Ihres Reizes, dass man sich in Ihrer Gegenwart so unbefangen fühlt wie in männlicher Gesellschaft – und dann doch wieder gänzlich anders, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Katharina verstand nur zu gut, was er meinte, und wusste auch, dass die Bemerkung eine Beleidigung war. Es war ihr gleichgültig. Was er gesagt hatte, hallte in ihr nach: Die Schlange steht für die Nabelschnur, von der wir uns lösen müssen. Wie aber kann ich mich lösen, wenn ich nicht einmal weiß, wo ich gebunden bin?
Mit einem Geigenton, der einem Weinen glich, verklang das Lied. Der Kaiser blieb mit ihr stehen, nahm aber seinen Arm nicht von ihrer Taille. »Ich danke Ihnen, mein Fräulein. Sie haben einem von Leid zerquälten Mann einen Liebesdienst erwiesen. Nehmen Sie es Ihrem Kaiser und seinem Offizier nicht übel, wenn sie Ihnen derzeit nicht mit der Wertschätzung begegnen, die unseren Damen zukommt. Wollen Sie uns das versprechen? Man nimmt uns hart her, selbst unser zartestes Gefühl bleibt nicht verschont. Doch es besagt nichts gegen die Qualität eines Mannes, wenn er in der Erfüllung seiner Pflicht nichts zurückhält – im Gegenteil. Ein Mann, der sich mit solchem Opfermut und Treue seinem Kaiser ergibt, wird dies einst, wenn wir mit Gottes Hilfe diese Prüfung bestanden haben, auch für die Frau tun, die er liebt. Sie haben sich einem Mann von rarer Tugend verschrieben. Bei meinem Tiroler, bei Valentin Gruber, gibt es nichts Halbes. Er mag Ihnen kein leichtes Leben bereiten, aber er ginge in den Tod für Sie.«
Weshalb erzählt er mir das?, begehrte es in Katharina auf. Glaubt er, ich wisse das nicht? Sie wollte hier weg, wollte in Valentins Augen versinken und das Gerede, die Bilder und das Lied vergessen.
»Leider muss der Mann Ihres Herzens den Schmerz der Trennung heute wieder auf sich nehmen«, sagte der Kaiser. »Uns sind Meldungen über Schritte unserer Gegner zugegangen, die eine sofortige Entsendung von Truppen unausweichlich machen.« Er verbeugte sich. »Ich
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