Im Land der gefiederten Schlange
ließ, statt ihn mit ehrlichen Waffen zu fordern, widerte ihn an – es war seinem Wesen fremd. Diesen aber wünschte er sich noch einmal gefesselt, und wie an jenem Morgen, als er Katharinas Blick bemerkt hatte, wünschte er, selbst die Peitsche zu nehmen und diesen stillen, geraden Rücken in Fetzen zu schlagen. Den Mann wie einen Rotzjungen heulen zu hören, bis Katharina ihn für seine Schwäche verachtete.
Er widerte sich selbst an – was hatte Mexiko aus ihm gemacht? Als er Mitte November nach Chapultepec zurückkam, erwartete ihn ein Brief aus Tirol. Seine Schwester Therese hatte ihm geschrieben, die, die Anton Mühlbach liebte – doch sie hatte den Toni verlassen, weil er schlecht über Valentin sprach. War das einmal sein Leben gewesen? Sie habe schlechte Nachrichten, schrieb Therese. Veronikas Vater habe das Verlöbnis gelöst, um seine Tochter an einen Steiermarker Kleinadligen zu verheiraten. Auf einen Schwiegersohn, der
dem Windei Maximilian
anhänge, setze er keinen Pfifferling mehr. Valentin hätte ein Mädchen, dessen Vater sich so etwas herausnahm, nicht heiraten wollen, aber er fühlte sich dennoch, als liefe er auf einem Seil und man hätte ihn des Netzes darunter beraubt.
Das war noch nicht alles: Der Onkel, der sich in seinem Leben kein einziges Verdienst erworben hatte, besaß die Stirn, ihn zu enterben. Der Titel, der Valentins Familie gehörte, würde an einen Vetter dritten Grades fallen, und er, der half, ein Reich zu begründen, bliebe der Sohn des bürgerlichen Versagers Gruber.
Und wofür hatte er den Titel, der ihm zustand, und das Mädchen, das er liebte, eingebüßt? Für Maximilian von Habsburg. Der ihm einen hergelaufenen Mexikaner vorzog.
Er blickte über die Mauer hinweg auf den Park und zwischen den sich wiegenden Zypressen hindurch auf das Schillern des Sees. Dort unten wartete Katharina. Seine Zauberin. Auch sie ein Teil des teuflischen Landes, das dabei war, ihn zu zerbrechen, aber ein Teil, den er sich gebändigt hatte. Wenn du deinen Pferdeknecht je wiedersiehst, peitsche ich ihn dir vor deinen Augen tot. Katharina war wie ein Kampfstier, sie wollte Kraft spüren, ehe sie sich ergab. Hätte er den Indio totgeschlagen, hätte sie ihn gehasst, doch zugleich wäre sie ihm mit Haut und Haar erlegen. Er hätte den Sepp abberufen und ihr erlauben können, die Briefe ihrer albernen Freunde zu empfangen, denn sie wäre sein gewesen, ganz und gar sein.
Er wurde verrückt. Es war das Klima, die ewige Sonne. Würde er je wieder durch hüfthohen Schnee stapfen, würde er je wieder Eiszapfen von den Giebeln eines Hauses glitzern sehen?
»Oberleutnant Gruber? Hätten nun Sie noch ein paar Augenblicke Zeit?«
»Sehr wohl, Majestät.« Valentin wartete, bis López das Gebäude verlassen hatte, ehe er es betrat. Der Kaiser, noch immer in Hemdsärmeln, ging ihm voran hinauf zu seinem schönen, im dunkel-männlichen Miramarstil gehaltenen Privatzimmer. López’ Zigarrenrauch, der Valentin Übelkeit bereitete, hing noch im Raum.
»Setzen Sie sich«, sagte der Kaiser. Er nannte ihn nicht
mein guter Gruber.
Vielleicht zürnte er doch wegen der verlorenen Schlachten, sooft er auch das Gegenteil beteuerte. Oberst López hatte sich solches natürlich nicht zuschulden kommen lassen. Hätte aber Oberst López für den Kaiser sein Leben riskiert? Dass Valentin die Schlacht überlebt hatte, war ein Wunder – und nicht der Fürsorge des Kaisers zu danken, sondern der Tatsache, dass der teuflische Indio nicht schnell genug zum zweiten Mal gefeuert hatte.
Ich gebe ihm alles, dachte Valentin, aber nicht meinen Stolz. Wenn er mir Vorwürfe macht, stehe ich auf und bitte ihn um meinen Abschied.
»Ich wollte Sie um Ihre Meinung bitten, Valentin«, sagte der Kaiser. »Ich darf Sie doch Valentin nennen? Der Name passt zu Ihnen, wissen Sie das? Valentin. Der Heilige der Liebe.«
»Sehr wohl, Majestät.«
»Ich bitte Sie. Wenn wir hier unter uns sind, nennen Sie mich Max. Haben wir nicht genug gemeinsam durchgestanden, von Solferino bis hierher? Wir haben einander weinen sehen, auch wenn keine Tränen flossen. Sie sind nicht einfach nur ein Offizier für mich, Valentin. Sie sind einer der Männer, von denen ich mich nicht trennen wollte – es wäre, als würde ich mich von mir selbst trennen. Verstehen Sie, was ich sagen will?«
Valentin sah in das schön geschnittene, von Leid gezeichnete Gesicht des Kaisers und konnte nur nicken, weil er genau verstand.
»Sie wissen, warum ich diese
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