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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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wünschte, er könnte Ihnen eine Taube mit einer zärtlichen Botschaft senden. Was wären wir Männer ohne unsere Frauen, die mit der Furcht um uns klaglos noch Schlimmeres ertragen als wir selbst?«
    Katharina wünschte, sie hätte sich die Ohren zuhalten dürfen wie als Kind, wenn ihre Vettern Unsinn redeten. Sie musste zu Valentin! Ohne sich länger um die Etikette zu scheren, lief sie dem Kaiser davon und aus dem Saal. Sie fand die Tür des Herrenzimmers offen, auf den Tischen die Aschenbecher noch qualmend und die Gläser halb geleert, doch die Herren waren fort. Erst auf dem Sattelplatz, außer Atem vom Rennen, fand sie ihn bei seinem Goldfuchs. Als einziger Offizier hatte er keinen Burschen bei sich, denn der Sepp war ja zu ihrer Bewachung abgestellt.
    »Valentin!«, rief Katharina durch die Nacht und fiel ihm um den Hals. Mehrere der Kameraden um ihn lachten.
    »Was ist denn los? Bist du von Sinnen?«
    »Was los ist? Ich liebe dich.«
    »Du stellst mich vor meinen Vorgesetzten bloß«, knurrte er und versuchte sie abzustreifen. »Was ist dir denn? Wir sind im Krieg, es wird noch oft geschehen, dass ich plötzlich abberufen werde.«
    »Bleib hier«, sagte sie und hielt ihn fest. »Ich fürchte mich. Da oben herrscht so seltsames Gerede vom Sterben und
La Paloma.
«
    »Ich kann das vermaledeite Lied nicht mehr hören.«
    »Ich auch nicht. Und ich mag hier nicht länger allein sein. Ich will zurück in die Stadt, irgendwohin, wo Menschen sind. Wenn nun etwas geschieht …«
    »Maria und Josef, was soll denn geschehen?« Fluchend übergab er den Goldfuchs einem der Männer und zog sie vom Sattelplatz fort ins Dunkel. »Hast du zu viel getrunken?«
    »Wahrscheinlich. Wir trinken beide zu viel. Ich habe Angst, Valentin. Wenn etwas geschieht, während du nicht hier bist, habe ich keinen Menschen, der mir hilft.«
    »Und sagst du mir jetzt endlich, was überhaupt geschehen soll?«
    »Vieles«, erwiderte Katharina mit einer Ruhe, die sie wunderte. »Juárez’ Republikaner könnten die Stadt einnehmen.«
    »Bist du wahnsinnig? Wie kannst du es wagen, das auszusprechen? Soll jemand dich hören?«
    »Du«, sagte sie, »du sollst mich hören«, aber sie wusste bereits, dass er das nicht konnte.
    »Ich muss aufbrechen«, versuchte er zu drängen. »Jetzt sei vernünftig, Liebste. Letzten Endes fechten wir diesen Kampf doch für euch aus – damit unsere Frauen und Kinder vor den Republikanern nichts zu fürchten haben.«
    »Ja, du hast recht.« Sie küsste ihn. »Ich war undankbar, nicht wahr?«
    »Ja, das warst du.« Erleichtert ließ er sich in ihre Umarmung fallen. »Aber das ist eben deine Wildheit, die mit dir durchgeht, und du weißt, wie sehr ich dich manchmal dafür liebe. So wie du auch weißt, dass ich nur meine Pflicht tue, oder?«
    Sie sah das Flehen in seinem Gesicht und sagte: »Ja, Liebster. Das weiß ich. Ich liebe dich.«
    Als sie in den Saal zurückkehrte, fand sie den Ball in Auflösung. Die ersten Lichter wurden gelöscht, und Claudius von Schweinitz war nirgends mehr zu entdecken. Ein Wachmann des Kaisers begleitete sie zu ihrem Haus und übergab sie der Obhut des Sepp. Allein in ihrer dunklen Sala, übermannten sie Furcht und Kälte. Sie steckte Kerzen an, schenkte sich ein großes Glas Port ein, aber nichts davon half. Das ganze Ausmaß ihrer Einsamkeit schlug über ihr zusammen. Ihre Briefe wurden abgefangen, jeder Mensch, der sich um sie sorgte, ferngehalten. Ihr Haus stand im Schatten eines Palastes, in dem ein sterbender Traum sich zu Tode zuckte. Erschrocken fuhr sie zusammen. War es wirklich sie, die so gedacht hatte?
    Ja, sie war es. Und sie war in diesem Sterben gefangen, weil sie Valentin nicht verlassen konnte. In dieser Nacht war ihr klargeworden, dass sie ihn nicht brauchen und nichts von ihm verlangen durfte. Aber er brauchte sie. Das war die Fessel, die sie hielt.
    Vor Kälte zitternd öffnete sie die Truhe, in der sie ihre alten Kleider, die Valentin hasste, aufbewahrte. Sie suchte nach irgendetwas, das warm war und nicht nach französischen Duftwässern, sondern nach Leben roch. Onkel Christophs Gedichtband fiel ihr in die Hand.
Ich denke dein, wenn mir des Mondes Flimmer in Quellen malt.
Weinen konnte sie nicht. Auf dem Boden der Truhe, unter verschossenen Blusen ertastete sie etwas Rauhes, einen Stoff aus festgewebter Wolle. Sie zog es heraus. Es war dunkelrot, es hatte einmal, in Veracruz, unter ihrem Bett gelegen, und wie es in die Truhe kam, wusste sie nicht. Jemand musste es

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