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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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dass die Maxen dich nicht zu Lederseife verarbeitet haben.«
    »Was für Leder soll denn davon sauber werden?«, fragte Benito und zog Katharina an ihm vorbei. Stumm schlichen sie sich durch das weit verstreute Lager bis auf die andere Seite des Kamms. Vor einem einzelnen Zelt zog er die Plane zurück. Sie mussten sich ducken, um einzutreten. Drinnen herrschte völliges Dunkel, bis er eine Kerze ansteckte und sie im Lichtschein ein Schlaflager, einen Tisch und einen Stuhl ausmachte. »Das Hotel Iturbide ist es nicht«, murmelte er.
    Katharina, die sich von ihm auf das Lager helfen ließ, fand, es war das Paradies. Er kniete vor ihr nieder, breitete eine Decke um sie und zog sie fest. »Mehr?«
    Sie nickte, und er legte ihr ein Fell um die Schultern und wickelte sie darin ein. »Leg dich hin«, sagte er. »Ich muss jetzt zu meinem Oberst, aber ich komme noch einmal wieder und bringe dir Tee. Mehr Decken auch?«
    Noch einmal nickte sie. Der Gedanke, ihn gehen zu lassen und allein zu bleiben, machte sie schaudern. Er stellte die Kerze näher zu ihr, trat zu einem Tornister und nahm ein paar Sachen heraus. Zuletzt löste er den Sarape von seinen Hüften und breitete ihn über ihr aus. Dann ging er.
    Allein in der Nacht, stürmten ihre Gedanken mit solcher Heftigkeit auf sie ein, dass sie die Augen zukniff und sich die Hände auf die Ohren presste. Die Zeit, bis die Plane sich regte und Benito sich durch den Eingang duckte, kam ihr endlos vor.
    Er trug seine eigenen Uniformhosen und ein Hemd, das gemessen an der Umgebung unglaublich weiß war. Sein Haar war nass und zurückgekämmt. Wieder kniete er vor ihr nieder, stellte ihr einen Korb und einen dampfenden Henkeltopf hin und zog sich eine Decke von der Schulter, die er über sie breitete. Während er sich über sie beugte, schien die Kälte in ihr zu schmelzen – sein Körper war wärmer als ein Ofen. Als er sich zurückzog, bemerkte sie, dass er in der Taille nach der Seite einknickte. Unwillkürlich streckte sie die Hand aus und ertastete unter dem Hemd den rauhen Stoff. Er wich ihr aus.
    »Willst du essen?« In dem Korb lagen mehrere gerollte Tortillas und ein rötlicher Laib Käse. Von dem Anblick grollte ihr Magen, aber das andere ließ sie nicht los.
    »Bist du verwundet, Benito?«
    Über sein Gesicht glitt ein Zucken. Einen Herzschlag lang hielt er völlig still, als würde er auf etwas lauschen, von dem er sich keinen Ton entgehen lassen wollte. Auf einmal bemerkte sie auch das andere. Die Schatten um seine Augen, die Erschöpfung, das Zittern der Hände. Und dann fiel ihr etwas ein, das doch jetzt, in dieser Verworrenheit, nutzlos war. Ausgerechnet in diesem Moment wurde ihr klar, warum er drei Wochen lang nicht mit ihr geredet hatte, als er zehn und sie sechs Jahre alt gewesen war. Wie hatte sie zu ihm sagen können, er sehe aus wie ein fremder Junge auf dem Malecon, er sehe aus wie irgendwer, nur weil sie demselben Volk entstammten? Valentin hatte recht – er war unverkennbar.
    »Ich habe dich etwas gefragt«, sagte sie und tippte ihm sacht gegen den Arm.
    Er fuhr zusammen. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Ich meine, ja. Ein bisschen. Es ist nicht der Rede wert.«
    Katharina setzte sich auf und beugte sich vor. Als er zurückweichen wollte, fuhr sie ihn an: »Halt still.« Ihr war ihr Leben lang in seiner Nähe warm gewesen, aber dies hier hatte damit nichts zu tun. »Du hast Fieber, Benito.«
    Er zuckte mit einer Schulter. »Ja, ich fürchte. Aber bis morgen ist es weg.«
    »Wirklich?« Ihr Herz, das sich gerade erst beruhigt hatte, schlug ihr schon wieder bis hinauf in den Hals.
    »Katharina«, sagte er, »ich will, dass du jetzt schläfst, nicht dir neue Sorgen machst. Du bist heute Nacht in Sicherheit, und morgen früh bringe ich dich von hier weg. Wenn ich nicht in der Lage bin, tut es eben mein Cabo, den du vorhin getroffen hast. Er hat mir versichert, er würde für dich von hier bis Veracruz laufen.«
    »Wie kannst du das denn?«, brach es aus ihr heraus.
    »Was?«
    »Wie kannst du das alles für mich tun? Ich habe mich noch nicht einmal bei dir bedankt.«
    »Das ist nicht nötig«, sagte er und stand auf. »Du hast mich ja auch um nichts gebeten.«
    Doch, das habe ich, dachte sie. Ich habe dich so sehr gebeten, und du hast mich gehört.
    »Brauchst du noch etwas? Wenn nicht, würde ich gern gehen.«
    »Nein!«, rief sie. »Bitte geh nicht weg.«
    An den Tisch gelehnt blieb er stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. In ihrem

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