Im Land der gefiederten Schlange
der Offizier sprach mit Benito. Schließlich schrieb er ein paar Zeilen auf einen Bogen Papier, den er Benito gab. Sie drückten einander die Hand, dann drehte Benito sich um, um zu ihr zurückzukehren. In diesem Moment, ehe der Mann sich ebenfalls umdrehte, erkannte sie ihn. Es war Oberst López.
Sie ließ sich in Benitos Arme fallen. Ich nutze ihn aus, dachte sie, ich darf ihn so nicht behandeln, doch ihre Schwäche übermannte sie. »Kannst du gehen?«, fragte er. »Wir haben es fast geschafft. Am nächsten Zugang kommen wir aus der Stadt.«
»Was hat er dir gegeben?«
»Einen Geleitbrief«, sagte er. »Und jetzt frag mich nichts mehr.«
Während sie sich auf seinen Arm gestützt weiterschleppte, durch schlafende Gassen, dann über einen Streifen freies Land und schließlich auf einen abgesperrten Pass zu, zogen ihr die Bilder jener Nacht im Theater durch den Kopf. Sie begriff jetzt, wie die Flugblätter in den Rauchraum gekommen waren. Zweimal wollte sie etwas sagen, doch er bedeutete ihr zu schweigen.
Die Wächter hinter den Sperren aus spanischen Reitern reichten Oberst López’ Brief herum, überflogen ihn und tauschten eilige Worte. Im Flüsterton stellten sie Benito Fragen, dann zogen sie eins der Holzkreuze zurück und ließen sie passieren. Schweigend durchquerten sie das Heerlager zwischen im Nachtwind geblähten Zelten, erloschenen Feuern und müden Wachen hindurch. Noch einmal musste Benito den Brief einem Wachmann zeigen, der mit seiner Fackel Katharina ins Gesicht leuchtete. Dann durften sie gehen. Vor Erleichterung entfuhr ihr ein Laut, doch Benitos Blick gebot ihr Schweigen. In schnellem Schritt führte er sie durch das hohe Gras der Ebene von den letzten Lichtern der Stadt fort in die Nacht, die nur die Sterne und ein silberner Halbmond erhellten.
Erst als sie eine Gruppe Pinien am Fuß eines Hügels erreichten, blieb er stehen. Katharina keuchte, ihre Lungen schmerzten, und ihre Zähne schlugen aufeinander. »Willst du ausruhen?«
Sie nickte. Er half ihr, sich ins Gras zu setzen, und sie lehnte den Kopf an den Stamm der Pinie. »Wohin gehen wir?«
»Nach dort oben.« Er wies den Hügel hinauf. »Auf den Stützpunkt meines Regiments.«
Es waren diese Worte, die sie hasste.
Stützpunkt, Regiment, Krieg, Schlacht, Pflicht, Kaiser.
Dort oben würde er sie also ihrem Schicksal überlassen und zurück in seinen Kampf rennen. Nur auf der anderen Seite – wenigstens der Kaiser bliebe ihr erspart. »Gehen wir weiter«, murmelte sie und schluckte ihren Zorn, der nicht berechtigt war, hinunter.
»Katharina«, sagte er seltsam verlegen. »Bitte versteh mich nicht falsch. Ich will nur nicht, dass mich ein übereifriger Wächter abknallt, wenn ich in den blöden weißen Hosen da hinaufstolpere.«
Fassungslos sah sie zu, wie er die Hosen auszog und in den Wald schleuderte. Es war dunkel. Um seine Beine zu betrachten, die schön geformten Muskeln von Waden und Schenkeln, reichte das Licht aber aus. Als hätte ich nichts Besseres zu tun.
»Du könntest zur Seite sehen, Katharina. Du könntest mir auch diesen Lappen geben, den du um den Hals trägst.«
Zitternd vor Kälte löste sie den Sarape von den Schultern und streckte den Arm, um sich ihm nicht nähern zu müssen. »Er gehört ohnehin dir«, murmelte sie, und auf einmal, völlig unsinnig, stiegen ihr Tränen in die Augen. »Kann ich ihn bitte behalten? Kannst du ihn mir wiedergeben?«
Ungläubig betastete er den Stoff. »Natürlich«, sagte er rauh und schlang ihn sich um die Hüften. »Komm weiter, ja? Wir haben es gleich geschafft, dann kannst du schlafen.«
Seite an Seite stiegen sie über das Geröll des Hangs dem Zeltdorf entgegen. Kurz vor dem Kamm stürmte ein bewaffneter Wachmann auf sie zu, doch als er Benito erkannte, senkte er das Gewehr und winkte. Er war ein kleiner, noch junger Weißer, der über das ganze pickelige Gesicht strahlte. »Mein Capitán! Und wir hatten Angst, wir müssten eine Messe für dich lesen lassen.«
Benito legte einen Finger auf die Lippen. »Ist der Oberst wach?«, flüsterte er.
Der Pickelige nickte.
»Melde ihm, dass wir zurück sind, Guerrero. Ich habe jetzt keine Zeit, die Dame braucht schleunigst ein Bett. Kann irgendwer Tee machen? Ich komme zu ihm, sobald es möglich ist.«
»Wird erledigt, Capitán. Ich kümmere mich um den Tee.« Halb neugierig, halb ehrfürchtig warf er einen Blick auf Katharina. »Und ich frag dich auch nicht, was du mit deinen Hosen gemacht hast. Ich bin ja bloß froh,
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