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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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wurde vom Lärm verschluckt. Der kleine Präsident schwankte, als er seine Faust in die Luft schlug. Entweder war er schwach auf den Beinen, oder er hatte sich für diese Rede Mut angetrunken.
    Der bleibt nicht lange, dachte Benito. Dem haben sie die Schärpe des Präsidenten umgehängt, bis sie einen besseren finden und ihn in die Wüste schicken. Wer aber würde der Bessere sein? Benito glaubte es zu wissen, und das Wissen bereitete ihm Übelkeit.
    Flüchtig wünschte er, sich durch die grölenden Massen zu drängen, sich neben den kleinen Mann auf die Bühne zu stellen und den Leuten zuzuschreien: Seid ihr denn alle verrückt? Was glaubt ihr, was es euch nützt, wenn ihr um Texas oder Kalifornien kämpft? Weiß einer von euch überhaupt, wo diese Länder liegen, wo dieses Riesenreich seine Grenze hat?
    Er wollte keinen Krieg. Er wollte nicht für Mexiko sterben, töten oder auch nur leiden müssen, er wollte Geld verdienen und lernen, um eines Tages auf die Universität zu gehen und von niemandem mehr abhängig zu sein. Alles, was ihn dabei störte, wünschte er sich weg. Selbst Carmen manchmal. Selbst Miguel.
    Rings um die Tribüne begannen die Menschen zu klatschen, und der Applaus breitete sich in Wellen bis zu ihnen aus. »Haben Sie gehört, was er gesagt hat?«, fragte ihn jemand auf Englisch. Die rothaarige Frau vom Nebentisch war herangekommen. Sie ließ ihren Blick der Länge nach über Benitos Körper gleiten, und der Blick hatte keine Eile, sondern nahm sich Zeit.
    »Ich habe einen Hörfehler«, erwiderte Benito und hob einen Mundwinkel. »Wenn jemand leer vor sich hin schwatzt, höre ich nur hohles Geklapper.« Die Frau brach in schrilles, völlig unangemessenes Gelächter aus.
    Ihr Begleiter, der Herr mit dem Ballonbauch, war ihr nachgeeilt. »Er hat gesagt, er betrachte das Fort, das General Taylor am Rio Grande errichtet hat, als Kriegserklärung, my dear. Amerikanische Kriegsschiffe würden den Fluss blockieren und mexikanische Städte von der Versorgungsroute abschneiden. Kein Mexikaner dürfe das länger dulden.«
    »Sie sprechen vorzüglich Englisch«, sagte die Frau zu Benito, als wäre der Ballonbauch nicht anwesend. »Was sind Sie? Einer dieser bemerkenswerten Mischlinge wie unser Redner?«
    »Nein, ich bin ein reinblütiger Affe«, versetzte Benito und ließ seine Augen ihr noch eine andere Antwort verpassen. Die Frau wich zurück und prallte mit dem Rücken in den Ballonbauch. Benito wandte sich ab. Ein wenig erschrak er, als er entdeckte, dass Carmen nicht mehr dem Redner zusah, sondern ihn mit ernstem Blick musterte. »Gehen wir«, rief er ihr unwirsch zu, warf Münzen auf den Tisch, als hätte er derer zu viele, und nahm sie beim Arm.
    »Und Miguel?«
    »Den finden wir irgendwo dort drüben.« Dass er sich albern benahm, entging ihm nicht – wie wollte er in dem Gedränge um die Rednertribüne irgendwen finden? Das Glück aber kam ihm zu Hilfe, denn genau in diesem Moment beendete Paredes seine Ansprache und wurde von den Beratern die Stufen hinunter und zu seiner Kutsche geleitet. Beim Einsteigen schwankte er von neuem. Benito war nicht der Einzige, der es bemerkte. Hatte eben noch der Eindruck geherrscht, die Versammelten jubelten Paredes einmütig zu, so sah er jetzt Einzelne, die einander in die Seite stießen, auf den Rotgesichtigen zeigten und in Gelächter ausbrachen.
    Die Menge löste sich auf. Das Johlen hatte ihnen die Kehlen ausgedörrt, sie brauchten Pulque in schaumigen Strömen, der ihnen die Köpfe noch wirrer und heißer und kriegslustiger machte. Benito schüttelte sich. Und dann sah er aus der sich teilenden Schar seinen Bruder Miguel auf sich zukommen. Er trug die blau-rote Uniform eines Infanteriegefreiten und hatte die Muskete geschultert, war aber offenbar außer Dienst. Sein Lachen hallte über den Platz, er winkte Carmen und Benito zu und hielt ein Mädchen im Arm.
    »Ist das euer Ernst? Ihr trinkt euren Kaffee im Las Palomas bei den dickbäuchigen Hombres de bien?«
    »Dein Paredes hofiert diese Dickbäuche«, versetzte Benito kalt. »Sie sorgen dafür, dass wir aus unserem Elend nicht herauskrauchen, sondern ihm als Kanonenfutter erhalten bleiben.«
    Schon wieder lachend, wandte Miguel sich dem Mädchen zu, das zierlich und auf den ersten Blick nichts Besonderes war, aber etwas im Ausdruck und in den Bewegungen hatte, das Blicke auf sich zog. »Habe ich’s dir nicht gesagt, Corazon? Mein kleiner Bruder ist die Sonnenseite des Lebens in Person.«
    Das Mädchen

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