Im Land der gefiederten Schlange
von Veracruz, bekanntzugeben. Ob in der schmerzlich vermissten Heimat oder in der Fremde, eine junge Liebe ist an jedem Ort ein Quell der Hoffnung. Erheben wir unsere Gläser auf das Wohl des Brautpaars! Möge der Schmerz, der uns zur Reife gebracht hat, bei euch Gnade walten lassen. Möge die Rache der gefiederten Schlange, die uns so schwer geschlagen hat, befriedigt sein und euch verschonen.«
Die Gläser klirrten aneinander. Falls Sigmund Eyck fand, dass dies ein wenig angemessener Trinkspruch sei, so ließ er es sich nicht anmerken, sondern hatte nur Augen für seine Braut. Auch die Übrigen ließen Fiete gewähren. Seine düstere Andeutung vom gefiederten Schlangengott gehörte zu seinen Geschichten wie La Llorona und die Taubenseelen persischer Seeleute. Hätte Marthe ihm früher den Mund verboten, so war sie jetzt offenbar nur froh, dass der vertraute Fiete wieder unter ihnen war.
Der Rest des Abends verlief lebhaft und heiter. Peter schaffte noch mehr aufgesparten Alkohol herbei, und sobald ein Gespräch den Krieg streifte, brachte Fiete es mit einem Hinweis auf den freudigen Anlass zum Verstummen. Wer weiß, vielleicht würde ja wirklich das neue Jahr eine Wende zum Guten bringen. Die Verbindung mit dem Konsul versprach Aufschwung, der Krieg mochte doch noch im Sand verlaufen, und die Blockade würde aufgehoben werden. Christoph, dem wiederum Bilder seiner eigenen Verlobung im Kopf herumgingen, beschloss, sich hinüber zu Inga zu setzen. Er nahm ihre Hand und versuchte ihr zuzulächeln, was daran scheiterte, dass sie ihn nicht ansah.
»Wünschst du dir etwas?«, fragte er. Wenn sie jetzt wie in jedem Jahr zur Antwort gab, sie wünsche sich ein Weihnachtsfest in ihrem Haus, so würde er es ihr versprechen: Im nächsten Jahr laden wir zu uns ein. Vielleicht haben ja dann wir mit einer Freudennachricht aufzuwarten? In diesem Bibelkreis könnte Jo doch jemanden kennenlernen, einen stillen, bescheidenen Mann, der zu ihr passt.
»Nein«, sagte Inga und sah an ihm vorbei. »Nein, ich wünsche mir nichts. Ich möchte nur bald gehen.«
15
»Lass diese Drecksarbeit sein und geh dir das Fell waschen, mein Aztekenjüngling.«
Wie so oft war Helen ohne Begrüßung in den Stall getreten. Früher hatte er sich, sobald er ihre Bewegung hinter sich spürte, umgedreht. Heute zog er den Striegel über den Hals des Rappen und tat, als würde er sie nicht bemerken.
Sie blieb hinter ihm stehen, küsste ihn in den Nacken und griff nach dem Striegel. Benitos Rücken hinunter schoss ein Schauder des Widerwillens. »Hast du Wachs in den Ohren? Komm schon, sei ein braver Junge. Piers bleibt bis morgen früh im Hafen, und der Zuber steht bereit. Die Gäule sind sauber genug, aber mir schmeckt dein Gefieder besser ohne Stallgeruch.«
Mit einer brüsken Bewegung machte er sich frei. »Ich habe zu arbeiten, Helen.«
»Und wie oft willst du mir das noch erzählen? Vielleicht sollte ich dich daran erinnern, dass ich entscheide, wann du zu arbeiten hast, mein schöner Freund. Meine Freundin Clarice bringt ihrem Indio mit dem Rohrstock bei, wer die Herrin im Haus ist, und allmählich glaube ich, dir bekäme ein gegerbtes Fell auch nicht schlecht.«
Benito ließ den Striegel los, der mit einem dumpfen Laut ins Heu fiel. Sehr langsam drehte er sich um, wobei er ihr die Hand, die seine Wange tätscheln wollte, herunterschlug. »Von dir bekommt mir nichts mehr«, sagte er. Er hatte es hinunterschlucken wollen. Er brauchte diese Stellung dringend, hatte schon in der Tuchfabrik aufhören müssen, weil ihn der Dienst für die Armee zu viel Zeit kostete. Er würde niemals studieren, ja, nicht einmal seine Leute durchbringen, wenn er jetzt weitersprach. »Für den Lohn, der mir noch zusteht, kauf dir eine Haube«, sagte er. »Du wirst grau, Helen. In deinem Alter geht eine Frau besser nicht mehr ohne Hut.«
Einen einzigen Blick warf er auf ihren geöffneten Mund, ihre ungläubig geweiteten Augen, dann schob er sie zur Seite und ging. Draußen hielt er den nächstbesten Aguador an und kaufte einen Eimer Wasser, den er sich über den Kopf goss. Den Stallgeruch mochte er gern, er würde ihm sogar fehlen. Es war etwas anderes, das er von seinem Körper runterspülen wollte.
Im Weitergehen beschloss er, das Maultier, das er für den Ritt in die Berge brauchte, schon jetzt zu holen und hinaus in die Vorstadt zu reiten. Wenn er ritt, konnte er vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein und eine selige Stunde stehlen, ehe er morgen wieder
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