Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
ihr Schicksal.
E duardo hatte das Pferd angeschirrt, saß bereits auf dem Kutschbock und wartete auf sie. Margarete und Marisela nahmen im Wagen Platz. Die offene Kutsche, mit der sie sonst ihre Stadtfahrten unternommen hatten, stand nicht mehr im Stall. Eduardo hatte nur die Schultern gezuckt, als Margarete ihn danach gefragt hatte.
Der Indio schnalzte mit der Zunge und ruckelnd setzte sich der Wagen in Bewegung.
»Wir brauchen vieles, nicht wahr?«, wandte sich Margarete an die Köchin. Sie hatte gestern Abend noch einen Blick in die Vorratskammer geworfen und sich gewundert, dass diese nahezu leer war. Früher stapelten sich dort Säcke mit Mehl und Zucker, Trockenfleisch und getrocknetes Obst. Honig und Konserven, die zum Teil extra aus Deutschland nach Guatemala verschifft worden waren. »Warum hast du keine Konserven eingelagert?«
»Du wirst sehen«, antwortete Marisela einsilbig.
Es herrschte eine ungewöhnliche Ruhe. Nur die chicle -Sammler bewegten sich hoch über ihnen in den Bäumen, gesichert durch schmale Gurte. Die Männer hielten Eimer in der Hand, in denen sie den milchig weißen Saft sammelten. Saft, aus dem einmal Kaugummi werden würde. Einer der Männer winkte ihnen zu und Margarete hob die Hand zum Gruß.
Plötzlich stutzte sie.
Wo waren die Indios, die sonst um diese Jahreszeit die Straßen blockierten. Die Männer, die schwere Kaffeesäcke auf ihren Rücken heranschleppten, damit der Kaffee auf der Finca verarbeitet werden konnte. Wo blieben die zweirädrigen Ochsenkarren, mit denen der Kaffee zum Fluss gefahren wurde, um von dort aus seine Reise in viele Länder der Welt anzutreten?
»Ist heute ein Feiertag?«, fragte sie Eduardo, da Marisela die Augen geschlossen hatte und zu schlafen schien. »Wo sind die Arbeiter?«
»Es gibt keine Arbeit dieses Jahr.« Eduardo hob die Schultern und drehte sich zu Margarete um. Er wirkte erschöpft und traurig, deutlich gealtert – so wie ihr Vater. »Viele Fincas sind ohne Arbeit.«
In Bremen hatte Margarete nur am Rande etwas gehört über eine Kaffeekrise, darüber, dass die Preise drastisch eingebrochen waren, aber sie hatte gedacht, dass der Markt sich inzwischen wieder beruhigt hätte. Aber ihr hatte ohnehin niemand etwas Näheres gesagt. Ein Mädchen sollte sich nicht für Handel oder Preise interessieren, sondern sich mit den schönen Dingen des Lebens beschäftigen.
»Eduardo!«, sprach sie den Indio mit Nachdruck an. »Was stimmt nicht auf der Finca?«
»Ich kann es dir nicht sagen.« Er wandte ihr den Rücken zu, seine Schultern hingen nach vorn und selbst von hinten bot er solch ein Bild des Elends, dass Margarete nicht weiter in ihn drang.
A ls sie nach Cobán hineinfuhren, wurde Margarete bewusst, wie sehr sie ihre Heimatstadt vermisst hatte. Den sanften Hügel, auf dem sich die Hütten und Häuser verteilten, den Fluss, der der Stadt den Namen gegeben hatte.
Schon von Weitem sah sie den erhöhten Hauptplatz, auf dem die strahlend weiß getünchte Fassade der Kirche im sanften Schein der Nachmittagssonne glänzte. Sie würde später eine Kerze anzünden, nahm sie sich vor, als Dank für ihre gesunde Rückkehr. Eduardo kutschierte den Wagen sicher über die schmale Hauptstraße, zu deren Seiten die Behörden und Amtslokale, die Post und das Telegrafenamt angesiedelt waren.
Am Straßenrand beobachtete Margarete vier Ladinos, die sich scheinbar über eine Indio-Frau lustig machten. Sie waren nach der neuesten europäischen Mode gekleidet und konnten wohl mit der traditionellen Tracht der Maya nichtsanfangen. Sie bat Eduardo, dorthin zu fahren, damit sie der Frau beistehen konnte, doch da hob einer der jungen Männer theatralisch den Hut und sie zogen weiter.
Margarete erinnerte sich an einen Sommertag, als Juan und sie gemeinsam nach Cobán geritten waren und Juan sich mit einigen Ladino-Jungen geprügelt hatte, die ihn beschimpft hatten. Erst später hatte Juan Margarete gebeichtet, dass die Jugendlichen sie als Indio-Liebchen bezeichnet hatten und er für ihre Ehre gekämpft hatte. An diesem Tag war Margarete endgültig klar geworden, dass sie ihre Liebe zu Juan in Guatemala niemals öffentlich würde leben können.
Sie schüttelte den Kopf, um die düsteren Gedanken zu vertreiben und nicht mehr an Juan zu denken.
Endlich erreichten sie den belebten Marktplatz. Indios priesen dort ihre bunten Webereien an oder verkauften Früchte, Ladinos und deutsche Kaffee-Finqueros versorgten sich mit den Waren, die sie nicht selbst
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