Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
Vom Netzwerk:
der
Mörder das Haus umschlich, auf eine Gelegenheit wartend, dort einzudringen.
    Am Nachmittag kam Dr. Bessemer zu Besuch, und Neele nutzte die
Gelegenheit, einen Spaziergang die Straße hinauf bis zum Kampong mit ihm zu
machen und ihn auszufragen.
    Â»So haben Sie es also herausgefunden«, sagte er, während sie langsam
durch den dämmrigen Tunnel gingen. »Nun, das war zu erwarten. Und ja, er hat
Ihnen die Wahrheit gesagt: Die Europäer lächeln natürlich über den Aberglauben
der Einheimischen, aber das nützt Ameya nicht viel, denn auch die Syphilis
hinterlässt helle Flecken, und so ist er in doppeltem Verruf. Wäre er nicht von
so altem Adel, dass er automatisch zum Wedono eingesetzt wurde, hätte er die ärgsten
Schwierigkeiten im Leben. So trifft es ihn nur in seinem privaten Leben. Ich
weiß nicht, wie der Junge jemals glücklich werden soll.«
    Es klang so bekümmert, dass Neele die Hand unter seinem Arm
durchschob und ihn drückte. »Sie haben ihn sehr gerne, nicht wahr?«, fragte sie.
    Â»Ja, sehr. Ich finde, er ist etwas, das man heute nur noch selten
findet – er ist ein wahrhaft edler Mensch. Er hat sich weder durch all den
finsteren Spuk, der in den Gehirnen der Einheimischen herumgeistert, korrumpieren
lassen noch durch die Verderbtheit der Europäer, die in ihrem Aufenthalt hier
nur eine gute Gelegenheit sehen, mit dem Schweiß der Einheimischen Reichtümer
an sich zu raffen.«
    Sie seufzte tief. »Das wird uns nicht viel nützen, solange die Leute
hier ihn für ein Ungeheuer halten. Anderswo«, fuhr sie dann fort, »und unter
anderen Umständen hätten wir sagen können, wir sind beide jung und gesund, wir
haben die Zukunft vor uns … aber so sehe ich nichts als Schwierigkeiten.« Während sie langsam dahinschritten, erzählte sie ihrem
Freund, wie schwer der Gedanke an das ungewollte Kind auf ihr lastete, wie sie
auch Ameya, der doch Leiden genug hatte, nicht damit bedrücken wollte, und wie
unmöglich es ihr schien, aus diesen Verstrickungen wieder herauszukommen. »Wir
denken daran, nach Australien zu gehen. Dort gibt es seit dem Goldrausch so
viele Einwanderer, dass wir nicht mehr sonderlich auffallen werden. Aber wir
wissen nicht, wie wir uns dort durchbringen sollen.«
Mit einem schwachen Lächeln fügte sie hinzu: »Ich glaube, für den Beruf des
Goldgräbers sind wir beide nicht geeignet.«
    Â»Wohl kaum«, stimmte Dr. Bessemer zu. »Dennoch muss ich sagen, dass
Australien wohl die beste Chance für Sie ist. Hier können Sie auf keinen Fall
bleiben. Sie würden beide immerzu Ausgestoßene sein.«
Nach einer langen, nachdenklichen Pause fügte er hinzu: »Sie sind sehr tapfer,
Frau Selmaker, dass Sie sich auf ein solches Abenteuer einlassen.«
    Â»Ich vertraue Ameya.«
    Â»Das können Sie auch, da bin ich ganz sicher. Aber leicht werden Sie
beide es dennoch nicht haben, schon gar nicht mit einem Kind. Wann wird es denn
so weit sein?«
    Â»Im Mai.« Bei dem Gedanken daran überfiel sie eine düstere
Bedrückung. Mit gepresster Stimme gestand sie dem Amtmann ihre heimlichsten
Sorgen: Sie fürchtete sich vor der Geburt, und sie fürchtete sich davor, sich
um ein Kind kümmern zu müssen, das sie nicht gewollt hatte und jetzt schon als
feindlichen Eindringling in ihrem Leib empfand. Wie sollte das in all den
Jahren werden, in denen ein Kind seine Mutter braucht? Konnte sie ihm überhaupt
eine liebende Mutter sein? Sie traute sich selber nicht. Sie fürchtete, ihr
würde bei jedem kleinsten Ärger über das Kind einfallen, wie dessen Vater sie behandelt
hatte, und sie würde es das Kleine bitter entgelten lassen.
    Dr. Bessemer ergriff ihre Hand und drückte sie zwischen seinen
warmen, kraftvollen Fingern. »Warten Sie erst einmal ab, bis es da ist.
Vielleicht sehen die Dinge dann ganz anders aus.«
    Es war ein schwacher Trost, aber es gab keinen besseren.
    Als Neele und ihr Begleiter zum Waisenhaus zurückkehrten, erfuhren
sie Neuigkeiten. Der Untersuchungsrichter war geradewegs zum deutschen Dorf
hinuntergeritten, um Jürgen Simms festzunehmen und in das Gefängnis für
Europäer auf dem Waterlooplein bringen zu lassen.
    Lennert Anderlies, der die Gruppe begleitet hatte, brachte Neele
schlechte Nachrichten. »Sie sind alle voll Zorn auf dich. Sie sagen, du hättest
ihn dem Richter gegenüber als

Weitere Kostenlose Bücher