Im Land der Mond-Orchidee
der im Hafen Wartenden verkauft hatte,
der dann statt seiner an Bord ging. Als er ihn zur Rede stellte, hatte Frieder
ihn niedergeschlagen, und als er sich von dem Schlag wieder erholt hatte, war
von der Meisje Mariaan nichts mehr zu sehen gewesen
und von Frieder auch nicht.
»Der Schuft hat die Gelegenheit genutzt, Neele loszuwerden«,
knirschte er zwischen den Zähnen hervor.
»Aber dann kann sie doch zu uns zurückkommen!«
Käthe schien nicht unbedingt begeistert von der Aussicht, eine verlassene
Ehefrau bei sich aufzunehmen, so etwas war immer eine Schande, auch wenn die
Ehefrau nichts dafür konnte, aber sie hielt zu ihrer Familie.
Jürgen und Merten schüttelten gleichzeitig den Kopf. Ein solches
Schiff, das von Kontinent zu Kontintent fuhr, war doch kein Bummelzug, der an
jeder Ecke anhält. Anlegen würde es zum ersten Mal in Amsterdam, das war ein
sehr weiter Weg von Norderbrake. Wie sollte eine alleinstehende Frau, die fast
kein Geld bei sich hat, zurückkehren?
Es war spät in der Nacht, als Jürgen den Moorhof verlieà und den vom
Mond beschienenen Pfad zurück ins Dorf nahm. Während des Gesprächs mit den
Laudruns hatte sich ein Plan in seinem Kopf zu formen begonnen, der kühn, aber
gewiss nicht unmöglich war. Frieder hatte Neele sitzen lassen â hieà das nicht,
dass sie jetzt frei für den Mann war, der sie mit aller Leidenschaft liebte?
Dass sie ihn ebenfalls liebte, auch wenn sie es abstritt, würde sie schon noch
begreifen, wenn sie ihm erst Gelegenheit gab, ihr seine Liebe zu beweisen. Und
auÃerdem konnte sie froh und dankbar sein, wenn sich jemand in diesem wilden
Land am Ende der Welt um sie kümmerte. Was hielt ihn noch in Deutschland? Nichts.
Solange Frieder im Spiel war, hatte er nicht daran denken können, sich den
Auswanderern anzuschlieÃen, aber jetzt lag die Sache anders.
Er schritt an dem winzigen Friedhof entlang, vorbei an der Kirche
und zu dem kleinen Haus, in dem er allein mit seinem Vater wohnte. Der alte
Simms schlief fest, nichts rührte sich, als Jürgen die Tür aufschloss, die
schmale Diele durchquerte und hinaufstieg zu der Kammer, in der er wohnte. Dort
saà er eine ganze Weile lang im Licht einer Kerze und half seinen Gedanken
weiter, indem er hin und wieder einen kräftigen Schluck aus einer Flasche mit
Obstschnaps nahm. Zuletzt zog er eine Kiste unter dem Bett hervor, öffnete sie
und entnahm ihr einen dicken Packen auf braunem Papier geschriebener Briefe.
Jürgen grinste in sich hinein. Das dicke Kuvert, das die Briefe
enthielt, war an Frau Käthe Laudrun auf dem Moorhof, Norderbrake, adressiert â
schlieÃlich hatten die Laudruns damals die Ãberführung in die Anstalt arrangiert,
als das Spital in Bremerhaven Elsie nicht länger behalten wollte. Es ging ihn
also eigentlich gar nichts an. Es war purer Zufall gewesen oder auch eine
freundliche Fügung des Schicksals, dass er dem Ponygespann des Postboten
begegnet war und dieser ihm die Post für Norderbrake mitgegeben hatte, um sich
den Weg zu ersparen. Normalerweise hätte er Briefe an den Moorhof pünktlich abgeliefert,
aber das seltsame Kuvert mit dem Anstaltsstempel hatte seine Neugier erregt. Er
wusste ein wenig mehr als alle anderen in Norderbrake, aber zuletzt hatte er
auch nur gehört, dass man Elsie Laudrun vor fünfzehn Jahren in einem
hoffnungslosen Zustand in das Asyl gebracht hatte. Warum schrieben die Ãrzte
jetzt? Eine Todesnachricht hätte nicht einen solchen dicken Packen Papier
gebraucht.
In Deutschland hielt ihn sowieso nichts, warum sollte er sich nicht
in anderen Ecken der Welt umschauen? Als er schlieÃlich, schon im Morgengrauen,
mächtig angeheitert zu Bett ging, war sein Entschluss gefasst. Er würde seinen
Vater â der ihn ohnehin gern aus dem Haus gehabt hätte â dazu bringen, ihm das
Geld für die Ãberfahrt nach Java zu geben, und dort würde er Neele ausfindig
machen und ihr die Briefe zeigen, wie er es schon am Abend ihrer Abreise
vorgehabt hatte. Und dann würde er ihr klarmachen, dass sie an Frieder nichts
verloren hatte und nur ein einziger Mann für sie infrage kam, nämlich er,
Jürgen Simms.
Auf hoher See
1
N eele stand an der
Reling und starrte in den Streifen grauen, strudelnden Wassers zwischen
Schiffsrumpf und Kaje hinunter, der immer breiter wurde. In ihren Ohren
trommelte das Blut, ihr Herz schlug so heftig, dass sie ängstlich
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