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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Heidedörfern nicht aus brennender Liebe, sondern weil die Familien
übereinkamen.
    Â»Aber dass er mich so fallen lässt!«
    Â»Männer sind feige«, erklärte Paula achselzuckend. »Vom ersten Hafen
aus schicken wir einen Brief nach Hause, was passiert ist, und dann bist du so
gut wie geschieden.« Paula hatte Norderbrake schon
mehr als einmal mit ihren skandalös fortschrittlichen Ansichten schockiert.
Dazu gehörte eben auch die Ansicht, dass Treue wohl etwas Schönes sei, eine
Frau müsse sich aber nicht ihr Leben lang einem Mann verpflichtet fühlen, der
es seinerseits mit der Treue nicht genau nahm. Und erst einer, der kurzerhand
in der Menge untertauchte und seine schwangere Frau alleine ans Ende der Welt
reisen ließ!
    Â»Hättest besser doch Jürgen genommen«, fuhr Paula in ihren
Belehrungen fort.
    Â»Pah! Eher noch einen toten Hering! Und wie kommst du jetzt
überhaupt auf ihn?«
    Â»Ich denke, er liebt dich wirklich, auch wenn er ein Knallkopp ist.
Nun ja, liebte dich, denn da du nicht mit dem nächsten Schiff nach Norderbrake
zurückfahren kannst, wirst du ihn kaum wiedersehen. Komm, ich mache dir deine
Haare zurecht; wir wollen beim Essen ordentlich aussehen.«
    Während das Schiff langsam an der Küste entlangdampfte, frisierten
die beiden Frauen einander das vom Regen zerzauste Haar und zupften die Kleider
zurecht. Neele spürte, wie ihr Entsetzen über Frieders
Brief sich langsam in einen gesunden Groll wandelte. Wenn er sie wegjagte,
warum sollte sie sich dann an ihn klammern? Wer seine Frau verstößt, der bricht
die Ehe, hatte der Herr Jesus gesagt. Hatte sie Frieder denn einen Anlass
gegeben, sie so hart zu behandeln? Sie war ihm immer treu gewesen, obwohl
Jürgen wahrhaftig die albernsten Tänze um sie herum aufgeführt hatte, um ihr
Herz zu gewinnen. Es hatte ihn bis zuletzt maßlos geärgert, dass er auf See
gewesen war, als Frieder ihm die Beute wegschnappte.
    Schließlich bimmelte die Glocke, die die Auswanderer zum Essen rief.
Das wurde in einem langen Raum mit einem Tresen an der einen Seite und einem
halben Dutzend Holztischen in der Mitte ausgegeben. Auf den langen Bänken links
und rechts der Tische gab es nicht genug Platz für alle; wer gegessen hatte,
musste also rasch aufstehen und verschwinden, um dem Nächsten Platz zu machen.
In Scharen standen die Leute Schlange. Ein fürchterlicher Lärm herrschte in dem
Aufenthaltsraum, in dem sich die einen beschwerten, dass sie beim Essen
gedrängt würden, während die anderen murrten, sie wollten nicht ewig stehen und
warten. Da und dort rempelten die Männer einander an, und es wäre zu Raufereien
gekommen, wären die Matrosen nicht dazwischengegangen. Wer sich prügeln wolle,
könne die Zeit während der nächsten Mahlzeit im Bunker absitzen, ohne was zu essen,
drohten sie.
    Paula stieß Neele an. »Komm, wir essen lieber im Stehen, sonst ist
das Zeug kalt, bis wir einen Platz kriegen.«
    Neele tauchte den Löffel in den Eintopf. Hering mit Kartoffelbrei
und Bohnen. An der Wand war ein Plakat angeschlagen, mit welchem Menü die
Reisenden zu rechnen hatten:
    Montag: gesalzener Speck, Erbsen mit Kartoffeln. Dienstag:
Salzfleisch, Reis, Pflaumen. Mittwoch: geräucherter Speck, Sauerkohl mit
Kartoffeln. Donnerstag: Fleisch, Kartoffeln, Bohnensuppe. Freitag: Hering, Gerste,
Pflaumen. Samstag: gesalzener Speck, Erbsensuppe, Kartoffeln. Sonntag:
Salzfleisch, Mehlpudding, Pflaumen. Kaffee und Tee würden jeden Morgen und
Abend ausgegeben, dazu Brot und Butter. Zwischen zwei Holzbalken eingeklemmt
befand sich ein metallener Wassertank mit einem Hahn, aus dem sie Wasser zapfen
konnten.
    Das Essen schmeckte nicht gerade übel, aber verlockend war die Aussicht
auch nicht, bis Batavia mit dergleichen Einheitsbrei gefüttert zu werden. Nun,
was wollte man in der dritten Klasse!
    Nachdem die Letzten aufgegessen hatten, wurde der Speisesaal wieder
zum Aufenthaltsraum. Die drei jungen Leute konnten sich an einem ruhigen Ende
an einen Tisch setzen und Frieders unerhörtes Verhalten besprechen.
    Der Doktor meinte, er habe so seine Ahnung gehabt, dass Frieder
irgendetwas ausbrütete, aber in den Kopf des Mannes zu schauen sei wahrhaftig
unmöglich gewesen. Und jetzt … Nun, sie mussten irgendwie mit der Situation
zurechtkommen, nicht wahr?
    Neele, die plötzlich ganz mutlos in sich zusammensackte, begann zu
weinen. »Es

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