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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Gang
lagen. Licht erhielt er von Bullaugen, die da und dort in tiefen Nischen
zwischen den Kabinen in die Schiffswand eingelassen waren, und von Petroleumlampen,
die an den Balken hingen. Die Hitze des darunter liegenden Maschinenraumes
erwärmte ihn, was ihr im Augenblick noch ganz angenehm war, da der Schock einen
heftigen Schüttelfrost in ihr ausgelöst hatte. Neele sah sich, als sie die Tür
öffnete, in einem engen, fensterlosen und nach Fisch, Motoröl und Gewürzen
riechenden Raum mit zwei Kojenbetten, einem Klapptisch und einem Gepäckträger
unter der Decke sowie einem Netz an der Hinterseite des Bettes, in dem man
Kleinigkeiten verstauen konnte. Ihre beiden Koffer, noch unausgepackt, nahmen
fast den gesamten freien Platz zwischen den Betten ein. Ihr schauderte bei dem
Gedanken, eine mehrwöchige Reise in diesem Holzgehäuse zu verbringen, aber alle
ihre Gedanken und Gefühle wurden verdunkelt von der Vorstellung, dass Frieder
sie verlassen hatte. Nichts anderes konnte wirklich in ihren Kopf dringen. Sie war
verwirrt, verletzt, gekränkt – und ungemein wütend. Der machte es sich leicht!
Als kräftiger junger Mann ohne Anhang konnte er jederzeit Arbeit finden, konnte
sich durchbringen, wie und wo es ihm gefiel, während sie dastand mit einem Kind
im Bauch und in völliger Ahnungslosigkeit, was sie in Java erwartete. Und so
gesehen, war das ganz typisch für Frieder. Er hasste Auseinandersetzungen. Nie
hätte er vor seiner Verwandtschaft zugegeben, dass er mit der Ehe einen Fehler
gemacht hatte, aber die Kröte schlucken und das Beste daraus machen wollte er
auch nicht, schon gar nicht, nachdem er darauf gekommen war, dass seine Frau
ein Kind erwartete. Von seinem Standpunkt aus konnte es nichts Besseres geben,
als dem Plan der Doktorsleute zum Schein zuzustimmen und im richtigen
Augenblick abzuspringen. Einfach zu verschwinden – nur wohin? Jedenfalls an
einen Ort, an den er seine ungeliebte Frau nicht mitschleppen musste. Beim
Militär oder auf See würden sie nicht lange nachfragen, wenn er einfach angab,
Junggeselle zu sein.
    Das Niederträchtigste freilich war, dass er sie zwang, die Reise zu
vollenden, denn wenn sie das Schiff verlassen wollte, das im Übrigen erst
wieder in Amsterdam anlegte – wie hätte sie nach Hause gelangen sollen? Die
großen Schifffahrtslinien boten den Reisenden günstige pauschale Arrangements,
die die Fahrkarten, Kost und Logis einschlossen, und für ein solches
Arrangement hatte Neele, ebenso wie Lennert und Paula, ihre Ersparnisse fast
bis zum letzten Pfennig ausgegeben. Außerhalb des Schiffes war sie bettelarm.
Mit jeder Seemeile, die die Meisje Mariaan zurücklegte, wurde es unmöglicher für sie, nach Deutschland zurückzukehren. Auf
diese Weise konnte Frieder sicher sein, dass sie nicht in einer Woche wieder
vor der Haustür des Laudrun-Hauses stand und sich bitter über ihn beklagte. Ihr
würde nichts übrig bleiben, als erst einmal bis nach Batavia zu fahren und von
dort aus zu versuchen, wieder nach Deutschland zurückzugelangen, was ein teures
und aufwendiges Unternehmen sein würde.
    Dieser erbärmliche Schuft!
    Gleichzeitig war sie jedoch auf einer anderen, weniger
vordergründigen Ebene froh, dass Frieder diesen Schritt getan und sie damit von
allen inneren Zweifeln befreit hatte. Er war gegangen. Die Frage, ob sie nicht
selbst auch gerne gegangen wäre, stand nicht mehr zur Debatte.
    Paula zog die Luft ein. »Es riecht nach Miesmuscheln, als wäre das
Schiff schon einmal versunken gewesen, nicht wahr? Aber komm, zieh dich erst
einmal schnell um, armes Kind, bevor du mir krank wirst.«
Sie machte sich eifrig zu schaffen, packte aus, hängte die zerknitterten
Kleider an die Haken über der Tür und schwatzte über alles Mögliche, um Neele
aus ihrer düsteren Stimmung zu reißen. Als jedoch Diplomatie nichts nützte,
platzte sie rundweg heraus: »Nun sieh es einmal so, Neeleken – du wolltest ihn
genauso wenig wie er dich, und im Grunde kann euch beiden nichts Besseres widerfahren,
als einander nicht wiederzusehen. Du hattest doch auch schon mit dem Gedanken
gespielt, dass ihr überhaupt nicht zusammenpasst. Du hast ihn letzten Endes nur
geheiratet, weil Käthe so sehr darauf drängte.«
    Neele gab zu, dass das stimmte. Sie waren beide alles andere als
ineinander verliebt gewesen. Andererseits heirateten die meisten Menschen in
den

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