Im Land der Mond-Orchidee
auÃerhalb von Europa anlegen würde: Algier,
Tripolis und Dschibuti an der afrikanischen Küste, Colombo auf Ceylon, der
indische Hafen Bombay und Padang auf Sumatra.
Neele schwirrte der Kopf angesichts dieses Babels von Rassen. Sie
hatte immer gedacht â was auch Tante Käthes Ansicht gewesen war â, es gäbe
weiÃe Menschen und »die Söhne Hams«, wie die Bibel sie nannte, dunkelhäutige,
unheimliche Geschöpfe, denen man auch dann nicht recht trauen konnte, wenn sie
getauft waren. Hier wimmelte es nur so von den Söhnen und Töchtern Hams. Sie
unterhielten sich mit lauten, seltsam klingenden Stimmen und blieben in Gruppen
eng beisammen, als hassten und fürchteten sie alle anderen Menschen. Aber
vielleicht hatten sie auch nur Angst, bestohlen zu werden.
Der Ozeandampfer lieà die französische, spanische und schlieÃlich
die portugiesische Küste links liegen und näherte sich allmählich der StraÃe
von Gibraltar. Nachdem sie ihr Ziel, Batavia, erreicht hatte, würde die Meisje Mariaan ihre Fahrt fortsetzen nach Neuguinea,
Celebes und Borneo, würde das unter britischer Oberhoheit stehende Singapur
anlaufen, die gefährliche Enge der StraÃe von Malakka durchfahren und dann
wieder Kurs auf Europa nehmen. Neele schwindelte bei dem Gedanken daran, dass
sie im Begriff stand, die halbe Welt zu umrunden. Sie, die in all ihren
neunzehn Jahren Gut Norderbrake nur ein Dutzend Mal verlassen hatte, um zum
Einkaufen nach Bremerhaven zu fahren!
Tag und Nacht stampften die Maschinen und erschütterten den
Schiffskörper, stieg die dumpfe Hitze aus dem Maschinenraum auf und mischte
sich der ölige Gestank mit dem ranzigen Geruch der vielen Menschen, die sich im
Zwischendeck zusammendrängten. Ãberall klebte Schmutz, und es gab kaum Wasser
zum Waschen. Jeweils ein Dutzend Personen musste sich in winzigen Waschräumen
um die abgestandene Brühe in den kleinen Becken drängen, die gerade ausreichte,
Gesicht und Hände zu waschen. Hatte es stark geregnet, so konnten die
Passagiere sich aus den Regentonnen an Deck in Eimern mehr Wasser in die
Waschräume hinabschleppen. Oft genug kam es zum Streit, bei dem die Frauen einander
heftig in die Haare fuhren. Neele und Paula vermieden es, in solche Raufereien
hineingezogen zu werden, aber das hieà dann eben auch, dass sie das Waschwasser
erst bekamen, wenn alle anderen bereits darin herumgeplätschert hatten. Neele
fragte sich, wie das Leben an Bord eines solchen Schiffes aussehen musste, wenn
Tag und Nacht tropische Hitze herrschte und tage- oder wochenlang kein Regen
fiel. Nicht auszudenken! Ihr graute jetzt schon vor ihr selber. Zu Hause hatte
sie es immer so genau genommen mit der frisch gewaschenen Unterwäsche, der gebügelten
und gestärkten Schürze, und jetzt sah sie aus, als hätte sie einen Monat lang
in einem Schmutzwäschekorb gelegen!
Paula stimmte in ihre Klagen mit ein, konnte ihr aber nicht helfen.
Es gab nun einmal keine Möglichkeit, die Kleider zu bügeln. Als es heftig
regnete, hatten sie ihre zweite Garnitur über einen Deckstuhl ausgebreitet, bis
sie ordentlich durchgewaschen war, und danach in der Kabine getrocknet, das war
die einzige Möglichkeit, die ihnen geblieben war. Es war nur ein sehr schwacher
Trost, dass es den anderen Frauen nicht besser ging und sie nicht weniger
jammerten. Die Männer, denen war es egal, ob sie wie aus dem Schweinekoben
gekrochen aussahen! Gerade nur die vornehmsten unter ihnen, wie Lennert,
nutzten den Regen, um ihre Hemden und die Unterwäsche zu waschen, die anderen
würden wohl in denselben Unterhosen in Batavia ankommen, in denen sie in Bremerhaven
an Bord gegangen waren.
Zusätzlich zu dem Ãrger über den Schmutz stellte Neele bald fest,
wie tödlich langweilig eine Seereise sein kann, wenn es an Bord keinerlei
Unterhaltung gibt. Zwar wimmelte es in der Auswandererklasse von Menschen, aber
nur ein geringer Teil dieser Menschen war von der Art, die Neele gerne
kennengelernt hätte. Viele waren vom Elend niedergedrückt und unwillig,
irgendwelche Bekanntschaften zu machen; andere hatte dieses Elend moralisch
zerstört, und selbst den Frauen ging man besser aus dem Wege, von den Männern
gar nicht zu reden. Wieder andere waren zwar anständige Leute, aber sie reisten
in groÃen Familiengruppen und wiesen jeden ab, der sich ihrem Clan auch nur näherte.
Auf der anderen Seite wehrte Paula
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