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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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untersagte es ihnen strikt. Die Landebrücke wurde streng bewacht,
denn die Gefahr, bei einem Kurzbesuch in der afrikanischen Hafenstadt spurlos
zu verschwinden, sei zu groß. Reisende müssten schon sehr gewieft sein, um
nicht sofort in einen Hinterhalt gelockt, ausgeraubt und als Sklaven verkauft
zu werden, und vor allem die Nachfrage nach blonden Frauen sei stark. Mit
Entsetzen vernahmen die Auswandererfrauen, dass man es besonders auf sie
abgesehen hatte, denen weitaus weniger Schutz zuteil würde als einer Dame der
ersten oder zweiten Klasse.
    Paula lachte, als sie sah, wie viele ihrer Reisegefährtinnen sich
erschreckten Mäusen gleich im Inneren des Schiffes versteckten, aber von Bord
gegangen wäre sie auch nicht, selbst wenn der Kapitän es erlaubt hätte. Sie und
Neele standen an der Reling und starrten hinunter in das bunte Gewühl, aus dem
Wellen von würzigen Düften, aber auch von scharfem Gestank aufstiegen. Zu Dutzenden
wimmelten die kleinen Boote der Händler um den Koloss herum, und immer wieder
mussten die Matrosen grob mit Tauenden oder Bootshaken zuschlagen, um die Leute
daran zu hindern, dass sie einfach an Bord kletterten. Zahllose farbige Kinder
trieben sich schreiend und bettelnd um die Landungsbrücke herum und rauften
sich um die Pennys, die die reichen Passagiere ihnen vom Promenadendeck der
ersten Klasse aus zuwarfen.
    Schließlich machten die Schlepper wieder an der Meisje
Mariaan fest, die Sirene brüllte ihren Abschiedsgruß, und das riesige
Schiff wurde vorsichtig aus dem Hafen in die offene See hinausgezogen. Die
Reise ging weiter. Ein weiterer Halt in Tunis verlief ähnlich, dann nahm der
Liner Kurs auf Kairo, um von dort aus in den Sueskanal einzufahren.
    Neele saß auf einer Taurolle, den Rücken an die Reling gelehnt, und
blickte zu den in weiter Ferne sichtbaren blauen Felsstreifen hinüber. »Was ist
das dort drüben?«, fragte sie.
    Â»Ich weiß auch nicht, vielleicht eine von den griechischen Inseln«,
antwortete Paula gereizt. »Komm, hör auf, immerzu zu fragen: Was ist das dort
drüben? Du kannst ja doch nicht aussteigen.« Dann, an
ihren Bruder gewandt, fügte sie hinzu: »Ich wünschte, ich hätte Meyers Konversations-Lexikon mitnehmen können; dann könnte
ich immer nachsehen, wo wir gerade sind, und müsste nicht die Matrosen fragen,
die immer so kurz angebunden sind.«
    Lennert lachte. Er ließ sich mit überkreuzten Beinen auf den Boden
nieder und schob sich die Tweedmütze zum Schutz gegen die kräftig stechende
Sonne in den Nacken. »Vielleicht hätten sie gestattet, dass du mit einem
kleinen Lastkarren an Bord gehst, auf dem du alle Bände des Lexikons mit dir
bringst.«
    Â»Ich weiß, es klingst lächerlich, aber würdest du nicht gerne mehr
wissen, als uns der Matrose sagt? Als ich ihn gefragt habe, in welchem Hafen
wir als Nächstes anlegen, hat er mich angebrummt, in einem Ton, als wollte er
dafür bezahlt werden. Die Mannschaft behandelt uns Zwischendeckpassagiere wie
den letzten Dreck.«
    Â»Nun, jeder, der getreten wird, sucht einen, den er wieder treten
kann – sieh dir doch nur einmal an, wie die Matrosen von den Offizieren
behandelt werden«, erwiderte Lennert. »Aber wir sind nicht ewig hier an Bord.
Es dauert nicht mehr lange, dann haben wir das Mittelmeer hinter uns und
erreichen das Rote Meer. Hörst du, Neeleken? Hättest du dir jemals vorgestellt,
dass du einmal in Afrika sein würdest?«
    Â»Habe ich drum gebeten?«, fuhr sie ihn an.
    Â»Oh, komm!«, rief Paula und schlug eine
Hand in die andere. »Mach uns nicht unglücklich! Wir können doch nichts dafür,
wie Frieder dich behandelt hat! Aber du lässt uns leiden mit deiner ständigen
schlechten Laune. Wir trauen uns schon kaum mehr, uns auf Java zu freuen, ohne
dass du uns ein böses Gesicht machst, als wären wir diejenigen, die dich
verschleppt haben!«
    Neele wusste, dass Paula recht hatte. Sie war aber auch nicht
bereit, Begeisterung zu heucheln, also grollte sie: »Dann ignoriert mich eben.«
    Â»Das können wir nicht«, sagte Lennert ernst. »Denn du bist unsere
Freundin und wirst es immer sein. Hör zu, es war wirklich schlimm, was Frieder
dir angetan hat, aber wir können nichts dafür; wir können es auch nicht ändern,
wir haben selbst kaum Geld genug, um es in Batavia noch bis zu Pastor Ormus’
Institut zu

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