Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
Vom Netzwerk:
Anspannung geröteten Wangen auf die Bekanntschaft mit
dem Amtmann.
    Neele war sehr besorgt wegen der Bemerkung, die er Lennert gegenüber
gemacht hatte. »Es hieß doch immer, Pastor Ormus’ Institut sei in Batavia.
Warum sagt dieser Mann jetzt, es sei in einer kleinen Ortschaft außerhalb der
Stadt, und er kenne es gar nicht?«
    Â»Ich glaube nicht, dass das etwas zu bedeuten hat.«
Paula war beschäftigt damit, sich ein Kopftuch über das Haar zu knoten, um die
Wüstensonne fernzuhalten. »Rund um eine größere Stadt gibt es immer ein paar kleine
Ortschaften, die dazugerechnet werden, obwohl sie streng genommen nicht
dazugehören. Weit weg kann es jedenfalls nicht sein. Wir mieten uns einen Büffelkarren, und im Handumdrehen sind wir dort. Lass
es jetzt einmal gut sein! Ich bin gespannt, was für ein Mensch das ist, dieser
Herr Amtmann. Ich sterbe allmählich vor Langeweile, und du musst zugeben, dass
die meisten Auswandererfrauen nicht gerade unterhaltsam sind. Bevor sie ein
Wort sagen, schauen sie ihren Mann an, ob er es ihnen auch genehmigt, und wenn
er es ihnen dann erlaubt hat, lohnt es das Zuhören nicht.«
    Neele hatte diese Erfahrung auch schon gemacht, also teilte sie die
Hoffnung ihrer Freundin, dass der Kontrolleur zumindest so viel zu einem
interessanten Gespräch beitragen würde wie der Pfarrer und der Schulmeister –
die beiden hauptsächlichen Quellen einer geistreichen Unterhaltung – in
Norderbrake.
    Lennert begleitete sie zu einem Winkel des Promenadendecks der
dritten Klasse. Wie er ihr erzählte, hatte der Kapitän verboten, dass
Passagiere der dritten Klasse in die zweite vordrangen, wo der Kontrolleur als
Regierungsbeamter reiste, also hatte dieser durchgesetzt, dass ein Winkel des
Decks mit einem Stück Persenning beschattet und mit einem Seil abgetrennt
wurde. Dort hielt er an einem von vier Deckstühlen umgebenen Tischchen hof.
    Neele sah sich einem imposanten Mann in weißer Uniform gegenüber,
groß und massig, mit einem klassischen Kopf, dickem, an den Schläfen
ergrauendem Haar und tiefen, ausdrucksvollen Augen. Hinter ihm standen zwei Javaner,
dünn und braun wie Baumwurzeln, der eine fächelte ihm mit einem Rossschweif
frische Luft zu, der andere mischte ein Getränk aus Wasser, Gin und einem
weißen Pulver.
    Der dicke Mann erhob sich und reichte den beiden Damen mit einem
herzlichen Lächeln die Hand. »Ich bin Dr. Phöbus Bessemer, Beamter der
Kolonialregierung«, stellte er sich vor. »Ihr Bruder hat mir schon so viel von
Ihnen erzählt. Ich freue mich immer, wenn neue Landsleute kommen – bessere
Leute, Sie verstehen, was ich meine. Nichts gegen einen braven Arbeiter, aber
man setzt sich doch gerne mit seinesgleichen zusammen. Kommen Sie, nehmen Sie
Platz! Und trinken Sie etwas.« Mit einer Geste
bedeutete er den Jungen, aus einem großen Krug Eistee einzuschenken.
    Neele wollte eben ihr Glas zum Mund heben, als der Jüngere der
beiden Javaner sie anlächelte – und ihr dabei spitz zugefeilte, scharlachrot
gefärbte Zähne zeigte!
    Sie erschrak so entsetzlich, dass sie in ihrem Deckstuhl
zusammensackte und nur stumm auf das unheimliche Geschöpf deutete, das ihr mit
seinen grinsenden Drachenzähnen wie ein wahrhaftiger Teufel erschien.
    Dr. Bessemer klopfte ihr auf die Schulter. »Ach, das hat Sie
erschreckt, Frau Selmaker? Nun, da machen Sie sich nichts daraus, es hat nichts
weiter zu bedeuten!« Er lachte – ein Lachen, das wie
das Kollern einer Trommel klang. »Setzen Sie sich nur her, kleine Frau, und
lassen Sie sich von dem Jungen nicht mehr erschrecken.«
Dann erklärte er ihr: Wie man anderswo Tabak kaute, so kaute man auf Java einen
Betelpriem, einen Bissen aus den roten Früchten des Betelstrauches, der
zusammen mit einem kleinen Stück Kalk in ein Blatt gewickelt wurde. Die Früchte
enthielten eine Substanz, die heiter und zufrieden machte, sodass das
Betelkauen sehr beliebt war; es war allgemein üblich, den Kindern mit dem
Eintritt ins Erwachsenenalter die Zähne abzufeilen, was als offizielle Erlaubnis
zum Genuss der Droge galt.
    Paula lachte, und Neele hatte das Gefühl, dass sie sich albern
benommen hatte, weil sie so erschrocken war. Schließlich war es nur ein Junge,
ein halbes Kind noch, und es war ja nichts Gefährliches an der Sache. Sie versuchte,
ihm mit einem scheuen Lächeln zu bedeuten, dass zwischen

Weitere Kostenlose Bücher