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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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ihnen alles wieder gut
war. Er grinste freundlich. Himmel, sah das entsetzlich aus, diese Teufelszähne!
Hoffentlich hatten die Einheimischen nicht noch mehr solche Bräuche, die einen
zu Tode erschreckten!
    Dr. Bessemer rekelte sich bequem in seinem Deckstuhl zurecht und zündete eine Zigarre an, von denen er einige in
der Brusttasche trug. »Es freut mich, dass Sie in unser schönes Land kommen«,
sagte er. »Sie werden dort sicher sehr glücklich werden. Ich bin jetzt schon an
die zwanzig Jahre dort, und wenn nicht hin und wieder das Heimweh wäre, könnte
mich nichts mehr weglocken.«
    Neele seufzte. Heimweh! Sie hatte es jetzt schon und war noch nicht
einmal dort. Und sie konnte sich nicht vorstellen, ein Land, das Tausende von
Meilen von ihrem Vaterland entfernt lag, unser schönes Land zu nennen.
    Â»Es ist aber sicher sehr viel anders als Deutschland, nicht wahr?«, fragte sie vorsichtig.
    Er nickte. »Das kann man wohl sagen, vor allem für einen Deutschen,
der wie ich aus Husum kommt, wo man nichts als Wasser, Deiche und platte Wiesen
sieht. Allein der Dschungel! Das Grünzeug dort wächst schneller, als man es
abhacken kann. Anfangs dachte ich auch, mir platzt der Schädel von dem
ständigen Lärm – Tag und Nacht der Gesang der Vögel und das Geschnatter der
Affen! Und die Leute können keinen Handgriff tun, ohne dabei zu singen. Es
klingt ja hübsch, aber manchmal wünschte ich, sie wären so schweigsam wie
unsere Friesen. Man muss sich daran gewöhnen, wenn man, wie ich, aus einem so
ganz anderen Ursprung kommt, aber dann schlägt es einen in seinen Bann, und man
möchte es nicht mehr missen. Vor allem sind die Leute sehr angenehm, sie sind
gutartig, sanft und freundlich; sie vermeiden jeden Streit und sind immer
höflich. Dort gibt es keine Raufbolde und Sturschädel wie bei uns zu Hause, das
macht mir auch meine Arbeit leichter.«
    Während sie ihren Eistee tranken und er seine Zigarre rauchte, die
einen eigentümlichen, herbsüßen Kräuterduft ausströmte, erzählte er ihnen von
Java. Er war in verschiedenen Küstenstädten entlang der Sundastraße tätig
gewesen, bevor er einen Posten im Amt des Generalgouverneurs in Batavia
angenommen hatte. Sein Amt stellte hohe Anforderungen an ihn: Ein Kontrolleur
musste neben einer ausgezeichneten Allgemeinbildung auch mehrere Sprachen
sprechen, darunter Malayam, die Lingua franca der Insel; er musste etwas von so
weit auseinanderliegenden Dingen wie Geografie, Geschichte, Trigonometrie und
islamisches Recht verstehen, und vor allem musste er seinen Tätigkeitsbereich
gut kennen. Dr. Bessemer kannte jedenfalls den Norden und Westen wie seine
eigene Tasche. Was die Landschaft betraf, so musste Java im Ganzen merkwürdig
widersprüchlich sein, denn Bessemer schwärmte einmal von smaragdgrünen
Palmenstränden und blühendem Dschungel, dann wieder malte er Bilder, so finster
wie die Höllenvisionen in barocken Kirchen, von Kaskaden glühender, rauchender
Lava, Ascheregen und zerberstender Erde. Es sei nichts Ungewöhnliches, dass mitten während einer Mahlzeit plötzlich die Gläser vom
Tisch und die Teller von den Wandborden fielen. Die Türen und Fenster ratterten
ständig, weil die Erde sich ruckartig hob und senkte. Es gab Teiche, die von
siedendem Schwefelwasser brodelten wie Kochtöpfe, und gelegentliche unruhige
Fluten, weil die Vulkane auch unterhalb des Meeres ihre Glut emporschleuderten.
Gleichzeitig jedoch sei Batavia eine äußerst moderne Stadt, edler als so manche
in Europa, mit marmornen Prunkbauten, Ehrfurcht gebietenden Kirchen und
Palästen, Orten der Wissenschaft und Kunst und luxuriösen Hotels.
    Â»Man nannte sie in ihrer Hochblüte die Königin des Ostens«, sagte
er. »Und da war durchaus etwas dran. Sie war und ist militärischer Stützpunkt,
Verwaltungssitz und Handelsstützpunkt, Drehscheibe des Handels zwischen zwei
Hemisphären. Allerdings besteht ein drastischer Unterschied zwischen der 1621
erbauten Altstadt, der benenstad, wie die Holländer
sie nennen, und dem neuen Teil.«
    Der alte Teil, berichtete er, sei eine genaue Kopie von Amsterdam
mit seinen Kontorhäusern und Grachten, aber den neueren Teil hätte man auf
einer sechs Kilometer entfernten höher gelegenen Ebene angelegt, weil das kaum
bewegte Wasser in den Grachten und die mangelnde Durchlüftung der

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