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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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der kurz nach dem Mittagessen verschwunden und erst später
wiederaufgetaucht war, amüsierte sich über die Aufregung seiner Mitbewohner.
»Sie werden den ganzen Abend lang nichts anderes zu tun haben, als über euch zu
lästern«, spottete er. »So ist das leider hier bei uns. Wir sind ein Dorf. Und
sie werden keine Ruhe geben, bis sie nicht alles aus euch herausgeholt haben.
Wenn ihr etwas zu verbergen habt, müsst ihr sehr geschickt sein.«
    Eine peinliche Stille folgte dieser Bemerkung, bis Paula fragte:
»Ich verstehe nicht. Was sollten wir zu verbergen haben?«
    Â»Weiß ich nicht.« Richard lachte. »Ich will
euch ja gerne glauben, dass ihr die seid, als die ihr euch ausgebt, und dass
alles so abgelaufen ist, wie ihr es erzählt, aber auf dieser Welt weiß man nie.
Ihr seid so geheimnisvoll, so spannend. Taucht plötzlich aus dem Nichts auf –
ein junger Mann und zwei schöne junge Frauen, von denen eine ein Kind unter dem
Herzen trägt.«
    Neele sagte nichts. Sie wusste nicht recht, worauf er mit seinen
Bemerkungen hinauswollte, und hielt sich lieber aus dem Gespräch heraus. Paula
dagegen erwiderte schroff: »Wir sind genau das, was wir gesagt haben, dass wir
sind. Es war wahrhaftig schlimm genug, plötzlich vor einem verlassenen Haus zu
stehen und keine Ahnung zu haben, was da eigentlich vonstatten gegangen ist.
Aber wenn Sie uns misstrauen, beobachten Sie uns doch einfach mit Adleraugen.«
    Â»Das tue ich bereits«, sagte Richard. Es klang beinahe feindselig,
aber im nächsten Augenblick lachte er schon wieder und tat alles, damit die
gute Stimmung zurückkehrte. Als er sie dann vor dem Waisenhaus absetzte, sagte
er ihnen, sie müssten von nun an selber zusehen, wie sie in die Siedlung
hinunterkämen, sie könnten zu Fuß gehen, aber auch jeden leeren Karren bitten,
sie mitzunehmen. Im Allgemeinen seien die Leute freundlich und zuvorkommend.
Sie hätten auch nichts von ihnen zu befürchten.
    Als sie zurückkehrten, war von Pastor Ormus nichts zu sehen, und sie
machten sich nicht die Mühe, nach ihm zu suchen. Nachdem er schon zwei Jahre
mit seinem seltsamen Leben zurechtkam, konnte er es auch noch eine Nacht weiter
tun. Stattdessen suchten sie den Brunnen, den sie unter dem überhängenden Dach
an der Rückseite des Hauses fanden, und die Besenkammer. Das meiste, was man
brauchte, um ein Haus instand zu halten, war da; offenbar hatten Lehrer und
Hauspersonal überstürzt die Flucht vor der Seuche ergriffen, ohne mehr mitzunehmen
als ihre persönlichsten Besitztümer.
    Sie waren mitten im Putzen, als der Pastor wiederauftauchte. Eine
Weile sah er ihnen lächelnd bei ihrer Arbeit zu und meinte, bei so vielen
Kindern gebe es alle Hände voll zu tun. Dann verschwand er wieder in dem
kleinen Arbeits- und Schlafzimmer hinter dem Esszimmer.
    Paula sah ihm nach. Mit gedämpfter Stimme sagte sie: »Ich glaube, er
betrachtet den Raum hier als sein persönliches Reich, und wir sollten lieber
nicht eindringen. Im Haus ist Platz genug, wir können oben essen.«
    Neele stimmte ihr eifrig zu. Sie fand den alten Mann jetzt schon
entnervend mit seinem ständigen geisterhaften Lächeln und dem Gebrabbel über
die Gegenwart längst verstorbener Kinder, und sie sah es kommen, dass sie ihn
unfreundlich anfahren würde, wenn sie noch oft seiner Gegenwart ausgesetzt war.
    Sie erklärte sich bereit zu kochen, während Paula und Lennert oben
eines der Zimmer so weit instand setzten, dass es als Esszimmer dienen konnte.
Die Küche, die sich im Untergeschoss befand, war riesig, man sah den großen
Herden mit den doppelten Feuerlöchern an, dass hier für eine halbe
Hundertschaft Personen gekocht worden war. An metallenen Rosten darüber hingen
Schöpfkellen, Spieße und Gabeln, Siebe und Trichter. Jetzt war nur noch ein
kleiner Nebenherd in Betrieb. Es sah aus, als würde von Zeit zu Zeit jemand von
den Nachbarn kommen, um für den alten Mann zu kochen, denn der Herd war
blankgeputzt, gehacktes Holz lag bereit, und in den Schränken fanden sich Reis,
getrocknetes Gemüse und Kräuter.
    Sie nahm von dem Holz und leerte dann den Sack mit den Lebensmitteln
aus, die Lennert gekauft hatte. Anscheinend hatte er bereits vor, sich hier
einzubürgern, denn er hatte hauptsächlich Reis und Gemüse gekauft sowie eine
Handvoll Tütchen mit Gewürzen. Wenigstens brauchte sie nicht lange zu

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