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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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Das
Lokal war recht voll für einen frühen Vormittag. Obwohl die Siedlung am Rand
einer Großstadt lag, war sie nichts anderes als ein Dorf, das sich nur für
seine eigenen Angelegenheiten interessierte, für die aber gründlich. Es war genauso,
als wären in Norderbrake plötzlich drei Fremde gestrandet mit der Erklärung,
man hätte sie aus Java dorthin berufen.
    Â»Woher wissen sie, dass wir kommen?«,
fragte Neele. »Sie können uns doch nicht gesehen haben?«
    Richard lachte. »Die einheimischen Diener. Die laufen doch ständig
von da nach dort, um etwas zu bringen oder zu holen, und dabei bringen sie
gleich auch alle interessanten Nachrichten mit. Die meisten können ganz gut
Deutsch, denn wir haben ihnen nicht den Gefallen getan, eine von ihren
Kaffernsprachen zu lernen; wenn sie also bei uns arbeiten wollen, müssen sie
sich an uns anpassen. So, nehmen Sie hier Platz, und nun lassen Sie sich bestaunen.«
    Die drei Reisenden saßen gute zwei Stunden in dem Wirtshaus. Als der
Mittag kam, wurden sie zum Essen eingeladen – Schweinebraten mit Reis und
Salat, danach eine Bananentorte und Kaffee – und danach weiterbefragt. Neele
merkte, dass die Deutschen hier ihren sozialen Status höher einschätzten, als
er eigentlich war, denn ein Herrenhaus war der Moorhof nie gewesen. Man hielt
sie offensichtlich für eine fromme Dame mit einer Respekt gebietenden
Ahnenreihe, die sich im Dienst des Herrn nach Java gewagt hatte.
    Lennert flüsterte ihr zu: »Lass sie gleich wissen, dass du schwanger
bist, denn wenn sie es später herausfinden, werden sie denken, du wolltest
etwas verheimlichen.«
    Also musste sie die tragische Geschichte von Frieders Untreue
erzählen, was einige Damen mit viel Mitleid aufnahmen, andere mit einem
gewissen Misstrauen. Wäre sie allein gekommen, so wäre dieses erste Kennenlernen
vielleicht anders ausgegangen. Aber da waren Lennert und Paula, die für sie
bürgen konnten, und bald hatte niemand mehr Zweifel daran, dass ihre Geschichte
der Wahrheit entsprach.
    Als Lennert erklärte, dass das Allerwichtigste für sie jetzt
bezahlte Arbeit war, gab es eine längere Diskussion unter den Ortsansässigen.
Schließlich sagte Frau Selder, die ihren Laden den Gehilfinnen überlassen hatte
und herübergekommen war: »Richard, es ist jetzt eine Menge zu tun mit deinen
Hochzeitsvorbereitungen, da könntest du doch die beiden Damen gebrauchen, wenn
sie gut nähen und sticken können? Besser, Deutsche machen die Arbeit, als dass
die eingeborenen Näherinnen daran verdienen.«
    Richard meinte, er hätte nichts dagegen, man solle ihn nur mit dem
Weiberkram der Hochzeitsvorbereitungen in Ruhe lassen. Das rief viel Gelächter
hervor, und nach einigem weiteren Hin und Her waren Paula und Neele fürs Erste
fest angestellt, nach Frau Hagedorns Wünschen Kissenbezüge zu umhäkeln und
Handtücher zu besticken. Neele war zutiefst erleichtert über diese Entscheidung,
aber sie fühlte zu ihrem eigenen Erstaunen einen leichten Verdruss bei dem
Gedanken, dass Richard knapp vor der Hochzeit stand. Sie machte sich allerdings
augenblicklich selber Vorwürfe. Hatte sie denn jetzt keine anderen Sorgen, als
sich in einen Mann zu vergaffen? Noch dazu einen, den sie gerade einmal einen
Tag lang kannte? Nicht auszudenken, wenn man ihr diesen unterdrückten Groll
angemerkt hätte. Die Leute hätten sie ja für eine Schlampe übelster Sorte
halten müssen, die mit einem Kind im Bauch, aber ohne Mann daherkam und dann
gleich ein Auge auf den nächsten gut aussehenden Kerl warf!
    Glücklicherweise hatte sich das allgemeine Interesse inzwischen
Lennert zugewandt, der vom Arzt der kleinen Gemeinschaft ins Verhör genommen
wurde. Nachdem er sich ausgewiesen hatte, meinte der örtliche Doktor, ein schon
etwas älterer Herr, er brauche zwar in der Ausübung seines Berufs keine Hilfe,
aber das Reiten werde ihm allmählich sauer, und er hätte gerne jemand, der ihm
Botengänge und Einkäufe zu Pferd abnähme. Dafür erscheine ihm ein gesunder
junger Kollege bestens geeignet. Lennert war von Herzen froh, als er hörte,
dass es für ihn auch etwas zu tun gab und dass er auch Gelegenheit bekam, Geld
nach Hause zu bringen.
    Es wurde später Nachmittag, bis sich die Versammlung im »Dorfkrug«
endlich auflöste und die Leute nach Hause gingen, um dort weiterzuschwatzen.
Richard,

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