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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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kochen.
Sie warf einfach den Reis und das klein geschnittene Gemüse ins siedende
Wasser, würzte mit der Mischung, die ihr am wenigsten exotisch vorkam, und
stellte einen Teller voll auf den Tisch im Esszimmer, während sie die Platte
mit dem Rest in eines der Zimmer oben hinauftrug.
    Â»Der Schweinebraten zu Mittag war besser«, bemerkte Lennert, während
er mit der Gabel in das Reisgemisch fuhr. »Und trotzdem … Ich meine, diese
Leute wohnen in der dritten oder vierten Generation hier, und noch immer leben
sie genauso wie ihre Vorfahren in Deutschland. Wozu sind sie dann überhaupt
hergekommen?«
    Â»Weil man hier leichter ein großer Mann ist als in Deutschland«,
erwiderte Paula. »Sogar ein armer Deutscher kann sich immer noch als etwas
Besonderes fühlen, weil er ein Weißer ist und sich damit für besser hält als
die Einheimischen. Und außerdem ist das Leben hier billig, wenn man sich nicht
gerade in den teuren Vierteln von Batavia ansiedelt. In Deutschland hätten wir
für das bisschen Zeug hier« – sie deutete auf den gedeckten Tisch – »das
Dreifache ausgegeben, sogar in unserem schäbigen Dorfladen.«
    Sie hatten alle Hände voll zu tun, um das verstaubte Haus in Ordnung
zu bringen, und machten erst Schluss, als es dämmerte. Neele band ihre Schürze
ab, wusch sich Gesicht und Hände und trat vor die Haustür.
    Der Sonnenuntergang hing über Batavia, als brenne die ganze Stadt –
eine goldene Lohe, die nur allmählich in ein tiefes Orange und dann düsteres
Rot überging. Draußen über der Bucht ballten sich blaugraue Wolken zusammen.
Dann sank die Sonne hinter den Horizont.
    Neele war überrascht, wie schnell es dunkel wurde. Am Vorabend hatte
sie das gar nicht bemerkt, da war sie zu müde gewesen, und die dichten Bäume
hatten den Weg überschattet. Aber jetzt schien es ihr, als würde das Licht
abgedreht. Mit einem Schlag trat der dunkelblaue Nachthimmel mit einer Unzahl
von Sternen hervor, die dicht über der Erde zu hängen schienen. Auch das Konzert
draußen veränderte sich abrupt. Bisher vernehmbare Stimmen schwiegen, während
neue Sänger ihre Stimmen erschallen ließen. Sie konnte jetzt verstehen, was
Herr Bessemer über die ständige Unruhe gesagt hatte. Dauernd zwitscherte und
trillerte irgendein unsichtbares Geschöpf im Blattwerk, während andere röchelnd
und schnarchend ihren Weg durchs Gebüsch suchten und im Boden herumwühlten.
    Die tropische Nacht umhüllte sie mit ihrer feuchten Schwüle und
einer Unzahl süßer Düfte. Sie stand unsicher da, befremdet von diesem so ganz
ungewohnten Land, zugleich aber fasziniert von seiner Schönheit. Zum ersten Mal
hatte sie den Eindruck, dass sie hier vielleicht auch Dinge finden mochte, die
ihr gefielen, und wenn es nur ein herrlicher Sonnenuntergang war.
    Hinter ihr trat Lennert aus der Tür. Er zeigte sich ebenfalls
beeindruckt. »Heute geht es uns jedenfalls besser als gestern, nicht wahr?«, sagte er. »Wir haben zu essen, wir haben ein Dach über
dem Kopf, und wir haben Leute, die uns weiterhelfen.«
    Neele dachte an Richard Hagedorn und daran, dass er in Kürze
heiraten würde, und gab keine Antwort. Erst als Lennert drängte, sagte sie:
»Auf jeden Fall war der Sonnenuntergang sehr schön. Ich hoffe nur, es kommen in
der Nacht nicht irgendwelche Tiere ins Zimmer gekrochen. Ich bin schreiend aus
dem Brett gesprungen, als dieser Gecko an mir vorüberhuschte.«
    Â»Ach was. In Norderbrake hast du auch keine Angst gehabt, dass eine
Kreuzotter dich beißen könnte, obwohl man dort alle naslang eine gefunden hat.
Und ein Gecko ist nichts anderes als eine exotische Eidechse.«
Er legte die Hand auf ihre Schulter und drückte sie kameradschaftlich. »Kopf
hoch, Mädchen. Du musst das Land hier mit hoffnungsvollen Augen ansehen. Es ist
schön, es ist fruchtbar, und mit ein bisschen Glück kann es uns hier gut gehen.«
    Â»Wollen’s hoffen. Gute Nacht, Lennert.«
    Drinnen stieg Neele die Treppe empor und betrat das Zimmer, das für
sie ausgesucht worden war, ein schönes Erkerzimmer über dem Eingang. Die
Petroleumlampe in der einen Hand, den Besen in der anderen, durchsuchte sie es
sorgfältig nach Geckos, Schlangen und Kakerlaken. Sie löschte die
Petroleumlampe, um nicht Tausende von Moskitos in ihr Schlafzimmer zu locken,
kleidete sich im

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