Im Land der Mond-Orchidee
einer bösartigen Grimasse.
Er wich jedoch zurück, als die Alte dem Stab so nahe kam, dass er sich beinahe
in ihren Bauch bohrte, und statt sie weiter zu bedrohen, begnügte er sich
damit, die Faust zu schütteln und seinen Stab, den er jetzt wieder aufrecht
hielt, wie ein Zeremonienmeister mehrmals gegen den Boden zu stoÃen. Die ganze
Szene sah aus, als machte er ihr wütende Vorwürfe, weil sie in dem Haus gewesen
war. Vielleicht, dachte Neele, war er ein Ehemann oder Sohn, dem ihre Fürsorge
für den Pastor missfiel. Wenn es so war, kümmerte die Alte sich nicht besonders
um seinen Zorn, denn sie schritt an ihm vorbei, als sehe sie ihn gar nicht
mehr, und ging ihres Weges. Er blieb noch einen Augenblick stehen, spuckte auf
den Boden und reckte die Faust gegen das Haus, dann verschwand auch er. Neele
kehrte beruhigt in die Küche zurück. Sie war froh, dass der Mensch sich davongemacht
hatte. Obwohl er nicht mehr jung und auch nicht sehr kräftig ausgesehen hatte,
war etwas Bedrohliches an ihm gewesen, und sie wunderte sich, dass die alte
Frau ihn so kühn ignoriert hatte.
Der restliche Kaffee und einige Kuchen blieben auf dem Küchentisch
stehen, also rief Neele ihre beiden Gefährten hinunter und erzählte ihnen von
dem guten Geist, der für den Pastor sorgte. Während sie aÃen, stellten sie
allerlei MutmaÃungen an, wer die alte Frau sein könnte. Vielleicht eine
ehemalige Angestellte des Hauses? Oder jemand aus der Kirchengemeinde, die sich
sonntags hier versammelt hatte? Und wer mochte der Mann sein, den ihre Arbeit
hier so erbost hatte?
SchlieÃlich unterbrach Lennert die Diskussion. »Das ist jetzt nicht
wichtig, und wir werden es ohnehin bald herausfinden. Bereiten wir uns lieber
darauf vor, hier unsere Arbeit zu machen. Der Doktor will mich sprechen, um mir
seine Ordination und Apotheke zu zeigen, und ihr werdet ja bald anfangen
müssen, Handtücher zu sticken und Laken zu säumen. Sagte Frau Selders nicht,
dass sie die erste Fuhre schon heute bringen lässt?«
Er behielt recht. Kurz nachdem er das Haus verlassen hatte, um zu
Fuà oder mit dem nächsten vorbeikommenden Karren das deutsche Dorf zu
erreichen, erschien eine geschlossene kleine Kutsche, deren Gepäckträger vollgepackt
war mit Kisten. Sie alle enthielten säuberlich gefaltetes weiÃes Leinen und die
Vorlagen, wie die Stickerei aussehen sollte. Frau Selders, die mitgekommen war,
gab ihre Anweisungen und verschwand dann wieder.
Neele betrachtete die Berge von Laken, Kissenbezügen und Handtüchern
und sagte: »Nun, jedenfalls werden wir eine Weile beschäftigt sein. Ich hoffe,
sie nehmen es hier mit der Bezahlung so genau wie mit der Arbeit.«
»Vorerst ist es noch so, dass wir abarbeiten müssen, was sie uns
geliehen haben, also brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Komm, wollen wir
uns hinaussetzen, solange es trocken ist?« Paula wies
auf eine Regenwand, die sich wie ein dunkler Vorhang über die Ebene schob.
»Eine Weile werden wir ja noch Gelegenheit haben.«
Sie setzten sich auf die Veranda hinaus, wo eine Gruppe von
Korbstühlen stand, und machten sich an die Arbeit. Paula war eine gute Stickerin,
was ihre Nadel zustande brachte, war immer so rund verschnörkelt und so
gleichmäÃig, als wäre es aus Zuckerguss. Neele war weniger geschickt, aber sie
war flink im Säumen der Wäschestücke.
Sie hatten etwa eine Stunde bei der Arbeit gesessen, als Pastor
Ormus erschien. Er führte sein Pferd in den Stall hinter dem Haus, dann kam er
langsamen Schrittes herbei, rieb sich die Hände und lächelte den beiden jungen
Frauen zu. »Das ist viel Arbeit, nicht wahr?«, sagte
er, schwerfällig mit dem Kopf nickend. »Immer ist etwas zerrissen, das man
flicken muss. Aber es sind brave Kinder, sie machen nichts absichtlich kaputt.
Habe ich Ihnen schon die Fotos gezeigt?«
Sie mussten es wieder über sich ergehen lassen, dass er ihnen die
Fotos â dieselben wie beim letzten Mal â zeigte und seine verworrene Geschichte
dazu erzählte, aber wenigstens lieà er sie dann in Ruhe weiterarbeiten.
Eine halbe Stunde verging, und sie wollten eben Pause machen und
sich Kaffee aufbrühen, als ein heftiges Gepolter aus dem Haus ertönte.
Den Lärm hatte Pastor Ormus gemacht. Er musste gestolpert sein oder
das Bewusstsein verloren haben, denn er saà an die Wand gelehnt da, Arme und
Beine ausgestreckt,
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