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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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herumraschelten und knackend Zweige zerbrachen, vor
allem gab es viele Eichhörnchen, die über den Weg flitzten und die Baumstämme
hinaufrannten. Zwei Vögel, die wie leuchtend bunte Hühner aussahen, hüpften und
flatterten unter der Veranda hervor und verschwanden im Laubwerk.
    Richard stieg die Verandastufen hinauf und klopfte oben lärmend an
die halb offene Tür. »Herr Pastor?«, rief er. »Herr
Pastor, sind Sie zu Hause? Sie haben Besuch.« Er
verschwand im Inneren des Hauses, während die anderen warteten, kam dann wieder
und rief: »Kommen Sie nur herein.«
    Zögernd folgten die beiden Frauen der Aufforderung, während Lennert
mit einem Satz die Stufen auf die Veranda hinaufsprang. Man sah dem Haus an,
dass es nicht älter als zehn Jahre war. Es machte einen gut erhaltenen
Eindruck, obwohl sich seit der Katastrophe niemand darum gekümmert hatte. Sie
traten in eine kühle, halbdunkle Diele, von der eine Treppe mit kunstvoll geschnitztem
Geländer abging. Im Hintergrund stand eine doppelte Flügeltür offen. Der Raum
dahinter war anscheinend die Kapelle gewesen, denn er war groß und leer und
hatte an jeder Seite ein farbiges Fenster. Rechter Hand öffnete sich eine Tür
in einen Raum, der einmal ein Esszimmer gewesen sein mochte, denn in der Zimmermitte
stand ein mächtiger achteckiger Tisch, dessen Platte mit bemalten Fliesen
eingelegt war, und an den Seiten die dazu passenden Anrichten. Die Fenster
hatten keine Vorhänge, die hölzernen Jalousien waren halb heruntergezogen und
tauchten den Raum in ein dämmriges Zwielicht. Offenbar wurde von Zeit zu Zeit
oberflächlich aufgeräumt, denn der Raum war nicht wirklich verwahrlost, aber
sauber war er auch nicht.
    Die Tür in den dahinter liegenden Raum stand offen, und dort fanden
sie Pastor Ormus. Der Raum diente als Wohn- und Arbeitszimmer, ein Diwan war
als Bett hergerichtet, und an der Wand stand ein kleiner Schreibtisch. An dem
saß ein langer, dünner alter Mann in schwarzer Kleidung. Er hatte einen
Gelehrtenkopf mit einer Halbglatze, weit vorgewölbter Stirn und buschigen Augenbrauen.
Er lauschte, während Richard ihm erklärte, wer die drei Besucher waren und was
sie wollten, und ein freudiges Lächeln zog über sein Gesicht.
    Â»Ich bin so froh, dass ihr gekommen seid, lieber Bruder, liebe
Schwestern!«, sagte er. »Wir haben so viel Arbeit mit
den Kindern, da können wir jedes Paar Hände gebrauchen.«
Er zog einen dicken Briefumschlag aus seiner Rocktasche und fächerte Fotos auf
dem Tisch auf, zwei Dutzend Bilder von einheimischen Kindern in Schuluniformen.
Die Fotos waren abgegriffen und hatten Eselsohren. »Sehen Sie!«,
sagte er mit einer dünnen, heiseren Stimme. »Das sind die, die eben erst
getauft wurden. Das hier ist Esther und das Anna, und
das hier ist Wilhelm … Alle unsere Jungen wollen Wilhelm heißen, nach unserem
guten Kaiser. Es sind alles sehr liebe Kinder, Sie werden gut mit ihnen
auskommen. Aber jetzt müssen wir Ihnen erst einmal ein Quartier finden.«
    Er stieg ihnen die Treppe voraus hinauf in den ersten Stock, wo sich
früher die Quartiere des Personals befunden hatten, und öffnete dort eine Tür
nach der anderen. Seit die Lehrer und Erzieherinnen das Haus vor zwei Jahren
verlassen hatten, war offenbar nichts an den Zimmern und ihrer Einrichtung
verändert worden. Die massiven Möbel, Spiegel und Lampen waren alle noch da,
das Geschirr in den Schränken, sogar die Wäsche – obwohl sie großteils als
Mäusenester diente – im Wäschekasten. Lange Vorhänge hingen, von der Sonne bis
zur Farblosigkeit gebleicht, an den Fenstern. Dichter Staub lag auf allem.
    Â»Sie werden sich hier wohlfühlen«, wiederholte der alte Mann. »Was
unterrichten Sie denn?«
    Lennert verlor die Geduld. »Herr Pastor«, stieß er zwischen zusammengebissenen
Zähnen heraus. »Sie haben uns hierhergelockt mit der Behauptung, wir würden
hier eine erfolgreiche evangelische Schule vorfinden, wo man über jedes
tüchtige Paar Hände froh ist, und jetzt stehen wir hier ohne Geld und wissen
nicht, was wir machen sollen! Wie konnten Sie uns so in die Irre führen?«
    Der alte Herr wich indigniert zurück, als er so angefahren wurde.
»Ich bitte Sie!«, protestierte er mit seiner
schwächlichen Stimme. »Nur keine Aufregung! Das lässt sich doch alles regeln.
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