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Im Land der Mond-Orchidee

Im Land der Mond-Orchidee

Titel: Im Land der Mond-Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Witt de
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brachte sie wieder zur Ruhe.
    Â»Kommt«, mahnte Paula, »schnell ins Haus, das sieht nach einem
Platzregen aus, der schon bald niedergehen wird.«
    Drinnen machten sie sich beim Licht der Petroleumlampe wieder an
ihre Arbeit, und Paula hatte allerlei zu plaudern über den deutschen Amtmann,
aber Neele hörte ihr nur mit halbem Ohr zu. Ihre Gedanken weilten bei dessen
Begleiter. Sie war in jeder Hinsicht überrascht gewesen, schon einmal von der
Tatsache, dass er weitgehend europäisch gekleidet war, wenn man von dem Turban
und der Schärpe mit dem Dolch darin absah. Noch mehr aber staunte sie darüber,
wie anziehend sie ihn gefunden hatte. Da war sie voll Angst vor diesen fremden
Menschen gewesen, und jetzt klopfte ihr Herz schneller, wenn sie an einen davon
nur dachte!
    Sie merkte gar nicht, dass sie die Hände hatte sinken lassen und
ihre Arbeit müßig im Schoß lag. Hätte Paula sie nicht aus ihrer Versunkenheit
geweckt, sie wäre noch lange so sitzen geblieben. So schreckte sie auf und
sagte: »Dieser andere Mann, der bei Dr. Bessemer war, sein Kollege … Ich war
wirklich überrascht, ihn zu sehen. Er wirkte so …« Sie suchte nach einem
Wort, dann sprang es ihr über die Lippen: »Er wirkte so edel. Ich dachte, diese
Menschen hier müssten alle grob und wild sein.«
    Â»Es wird auch hier große Unterschiede geben zwischen einem einfachen
Reisbauern und einem Adeligen. Wenn er dieselbe Stellung innehat wie Phöbus –
ich meine Dr. Bessemer –, dann ist er sicher aus guter Familie, und das merkt
man ihm eben auch an.«
    Neele schwieg. Sie musste erst einmal zurechtkommen mit der
Vorstellung, dass es unter den Söhnen Hams sehr schöne und vornehme gab. Und
was sie noch mehr beschäftigte, war die Tatsache, dass sie diesen geheimnisvollen
Mann öfters zu sehen bekommen würde, hatte es Dr. Bessemer doch offenbar darauf
angelegt, seine Verehrte bei jeder Gelegenheit zu sehen.
    Sie war so in Gedanken versunken, dass Lennert sie anstieß und
sagte: »Neeleken, was ist denn mit dir? Du bist ja ganz verträumt. Hat dir der
schöne Ameya so gut gefallen?«
    Errötend wandte die junge Frau sich ab. »Ach was, schön! Und
außerdem ist er ein … ein … Tante Käthe würde sagen, ein Sohn Hams! Da hast
du’s!«
    Lennert wies darauf hin, dass Tante Käthes von der Bibel geprägter
Horizont eher eng war. Man musste nicht alles ernst nehmen, was sie sagte.
Ameya sei zwar fremdartig, aber ein schöner, kluger und wohlerzogener Mann.
»Das hast du sehr wohl bemerkt, Neele, und mir scheint auch, dass du jedes Mal
Herzklopfen bekommen hast, wenn du ihn angeblickt hast. Also mach ihn jetzt
nicht schlecht. Gib es doch zu, was ist denn dabei? Es muss doch erlaubt sein
zu sagen, dass man jemand anziehend findet.«
    Â»Nun, dann finde ich ihn eben anziehend!«,
gab Neele schnippisch zurück. »Und jetzt mache ich das Abendessen.«

3
    D ie Kutsche der
beiden Beamten hatte den Losmen gerade noch erreicht, ehe die Sintflut
herabstürzte. Sie brachten Pferd und Wagen in dem Schutzraum unter dem
Pfahlhaus in Sicherheit und sprangen in langen Sätzen die Treppe empor, während
bereits die ersten Tropfen fielen. Mit einem Donnerschlag brach der Wasserfall
los, der zu beiden Seiten des steilen, spitzgiebeligen Daches herabrauschte.
    Sie suchten sich im ersten Stock einen ruhigen Ort in einem Raum,
den man in Europa wohl den Salon genannt hätte, mit einem Boden und Wänden aus
eng geflochtenem Rattan und einer Sitzgarnitur aus demselben Material. Grüne
Kissen lagen in den beiden tiefen, bequemen Sesseln, und der niedrige Tisch war
mit einem ebensolchen Tuch bedeckt. Beide legten die Halfter mit den Revolvern
ab, aber Ameya behielt den Kris, der in seiner Schärpe steckte. Er legte ihn
nie ab, solange er mit irgendetwas Wichtigem befasst war.
    Ein Mädchen brachte Palmwein und Reiskuchen, dann blieben die beiden
Männer sich selbst und ihren Gesprächen überlassen. Die enge Zusammenarbeit
hatte sie auch in persönlicher Hinsicht zu Vertrauten gemacht. Dr. Bessemer
hatte seinem Mitarbeiter alles erzählt, was sich während der Reise ereignet
hatte, und auch, wie es den drei jungen Leuten vorher ergangen war. Er kannte
seinen Wedono als einen verschwiegenen und zuverlässigen Menschen, der für sich
behielt, was man ihm anvertraut hatte.
    Nachdem er einige

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