Im Land der Orangenbluten
nächtlichen Besuchen klaglos da. Im Stillen aber dankte sie für jede Stunde, in der sie ihm nicht nahe sein musste, und seine Abfahrt in die Stadt nahm ihr jedes Mal eine große Last vom Herzen. Dann konnte sie für kurze Zeit sie selbst sein.
Mit Beginn der heißen, trockenen Jahreszeit kam Anfang Oktober auch Martina aus der Stadt wieder auf die Plantage – in Begleitung von Pieter.
Martina erzählte ihrem Vater in den ersten Tagen bei Tisch gern von den Ereignissen im Hause ihrer Tante. Karl ging aber nie näher darauf ein, was Julie verwunderte. Er schien zu der Familie seiner verstorbenen Frau keinerlei Kontakt mehr zu wünschen. Oder wünschte sie es nicht? Julie wusste es nicht. Martina zumindest schien dort gern gesehen zu sein und wohlwollend aufgenommen zu werden. Das Leben in der Stadt schien ihr zu gefallen, und Julie vermutete, dass Karl beizeiten verlangte, dass sie sich wieder auf die Plantage zurückbegab. Hier hatte er immerhin ein Auge auf seine Tochter – und Pieter.
Julie hörte eines Tages eher zufällig, wie Pieter und Karl darüber sprachen, dass Martina im kommenden November achtzehn Jahre alt wurde. Julie musste die aufkeimende Wut unterdrücken. Martina, Martina! Karl hatte ihren Geburtstag nicht nur vergessen, er war sogar an dem Tag in der Stadt geblieben. Seiner Tochter allerdings würde er bestimmt ein pompöses Geschenk machen. Doch dann nahm das Gespräch eine ungeahnte Wendung: Man könne doch im März, wenn das Wetter angenehm sei zwischen der kleinen und großen Regenzeit, die Hochzeit von ihm und Martina arrangieren, schlug Pieter vor. Karl schien nicht abgeneigt, und wenige Tage später verkündete er offiziell seinen Entschluss. Pieter machte einen zufriedenen Eindruck, und Julie musste, um Karl nicht zu verärgern, zähneknirschend ihre Freude kundtun.
Martina war begeistert. »O Vater, wir werden eine große Feier ausrichten, Tante Valerie wird sich darum kümmern!«
Karl brauste unerwartet auf. »Das fehlt mir noch, die Feier wird hier abgehalten!«
Martina stieg sofort die Zornesröte ins Gesicht. »Aber wir können doch nicht auf der Plantage feiern, wir haben keinen Saal! Und die Anreise, den Gästen gegenüber ist das ...«
Karl unterbrach sie donnernd. »Keine Diskussion, du bist meine Tochter, und wenn du heiratest, dann auch auf meinem Grund und Boden. Wir brauchen Valerie nicht!« Er deutete auf Julie. »Juliette ist deine Stiefmutter, sie kann das ebenso organisieren.« Damit war für Karl das Thema erledigt.
Martina verkroch sich, wie so oft, sofort schmollend in ihrem Zimmer. Pieter ignorierte die Szene und trank mit Karl auf die beschlossene Sache, und Julie saß da und wusste nicht, wie ihr geschah. Eine Hochzeit für ihre widerborstige Stieftochter auszurichten war das Letzte, was sie sich wünschte.
Bis März waren es nur noch fünf Monate.
Julie zerbrach sich den Kopf, wie sie es anstellen könnte, eine standesgemäße Hochzeit auszurichten. Sie kannte sich mit den Sitten in diesem Land doch kaum aus und mit Hochzeiten an sich schon gar nicht. Ihre eigene konnte sie wohl kaum als Vorlage werten. Andererseits ... Ob sie wollte oder nicht, dies war auch die ideale Gelegenheit, sich gegenüber Karl zu profilieren. Sie würde das schon irgendwie hinkriegen. Und wenn Martina und Pieter erst mal verheiratet waren, würde Pieter Martina wohl auch mit in die Stadt nehmen. So hoffte Julie. Schließlich arbeitete er von dort aus. Sie würde sich jetzt also einige Monate intensiv mit Martina auseinandersetzen müssen, aber dann ...
»Na, da haben Sie sich ja Großes vorgenommen.« Jean Riard lachte, als er bei seinem nächsten Besuch von Julie erfuhr, dass sie sich um die Feierlichkeiten kümmern sollte.
Wie immer, wenn er zum Arbeiten nach Rozenburg kam, hatte es Julie auf die Veranda gezogen, wo sie ihm Gesellschaft leistete.
»Ach«, Julie winkte ab. »Wir haben ein großes Haus, eine gute Küche, genügend Personal und mit Amru wohl auch die beste Haushaltsvorsteherin, die man sich wünschen kann. Ich denke, so eine Feier mit ein paar Gästen sollte man hier wirklich ausrichten können.«
»Ein paar Gäste?« Riard legte den Stift beiseite und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er schien belustigt. »Ihnen ist hoffentlich klar, dass es nicht bei ein paar Gästen bleiben wird«, sagte er schmunzelnd. »So eine Hochzeit ist immer ein großes Ereignis, die halbe Kolonie wird zu Gast sein, ganz abgesehen davon, dass die Enkelin der Familie Fiamond
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